Weizenbaum: Das Internet ist ein riesiger Misthaufen

Vor einer Überschätzung des Internet hat der Computerkritiker Joseph Weizenbaum gewarnt.

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  • dpa

Vor einer Überschätzung des Internet hat der Computerkritiker Joseph Weizenbaum gewarnt. "Das Internet ist wie ein riesiger Misthaufen", sagte der Informatiker am Freitag beim Kongress "Gutenbergs Folgen" in Mainz. Im weltweiten Datennetz gebe es aber einige Perlen zu finden. Dies gelinge jedoch nur mit der Fähigkeit, gute Fragen zu stellen. Dazu müsse das kritische Denken in den Schulen und Universitäten gefördert werden, sagte der Wissenschaftler, der am Massachusetts Institute of Technology (MIT) arbeitet.

Nach Ansicht des Literaturwissenschaftlers Willie van Peer von der Universität München werden die Anforderungen an die Lese- und Schreibfähigkeit in der Informationsgesellschaft weiter zunehmen. "Das Lesen ist die Schlüsselqualifikation für die Wissensgesellschaft", sagte van Peer. Deshalb sei es nicht nötig, mehr Computer, Bildschirme und Tastaturen in die Schulen zu bringen. Vielmehr müsse der Unterricht in Mathematik und in der Muttersprache verbessert werden. "Wir müssen die analytischen Fähigkeiten ausbilden", forderte van Peer.

Auch der Erziehungswissenschaftler Hartmut von Hentig sprach sich dagegen aus, die Bildung der Kinder dem Computer zu überlassen. "Wir schulden den Kindern nicht die frühe Abrichtung auf Apparate", sagte von Hentig der dpa am Rande des Kongresses. Eltern und Schule müssten den Kindern Erfahrungen vermitteln, die für ihr Leben von Bedeutung seien. Neben dem Einüben der drei Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen gehe es darum, den Kindern das Verstehen, das Urteilen und das geduldige Beobachten beizubringen, sagte der Pädagoge.

Der Geschäftsführer der Stiftung Lesen, Heinrich Kreibich, sprach sich dafür aus, bei der Leseförderung auf dem "Multimedia-Klavier" zu spielen. Schöne Bücher und gute Autoren würden nicht ausreichen, um zum Lesen anzuregen. Die Literaturwissenschaftlerin Sabine Gross von der University of Wisconsin plädierte dafür, die sinnlichen Freuden des Lesens stärker zu betonen. "Wir müssen zum Vergnügen lesen", sagte die Professorin für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft. Die Verleger sollten deshalb mehr Wert auf das Buchdesign legen und die Möglichkeit zur Drei-Dimensionalität nutzen.

Nach Ansicht des Informatikers Wolfgang Wahlster wird die moderne Sprachtechnologie die Bedeutung der Schriftsprache in den nächsten 50 Jahren zurückdrängen. "Das Lesen wird nicht völlig überflüssig, aber mit der Vorfilterung durch die Sprachtechnologie werden wir weniger Irrelevantes lesen", sagte der wissenschaftliche Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Die heute stark am Text orientierte Gesellschaft werde in Zukunft wieder mehr Wissen mündlich weitergeben und verarbeiten, wie dies vor der Erfindung des Buchdrucks vor 500 Jahren der Fall war. (dpa) / (jk)