Schummel-Bots bei Online-Spielen können als Wettbewerbsverstoß gelten

Erstmals ist in Deutschland eine Gerichtsentscheidung zum Einsatz von Cheatbots in Spielen ergangen. Die Besonderheit: Der Schummelmechanismus war geeignet, den Betreibern des nach dem Free-to-play-Prinzip gestalteten Spiels finanziell zu schaden.

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Für Teilnehmer an Online-Spielen sind sie ein klassisches Ärgernis – ebenso für die Betreiber der Spielserver: Cheatbots, also in den Spielablauf eingeschleuste Programme, die bestimmten Spielern den Zugriff auf Vergünstigungen erleichtern, Spielabläufe automatisieren oder Spielerhandlungen simulieren. Am Donnerstag, dem 9. Juli, hat das Landgericht (LG) Hamburg den Schöpfern eines solchen Bots per einstweiliger Verfügung verboten, ihr Manipulationsprogramm weiterhin anzubieten. Damit ist die erste deutsche Gerichtsentscheidung zum Einsatz von Schummelmechanismen in Online-Spielen ergangen.

Eine Besonderheit der Sache, über die das Hamburger Gericht zu befinden hatte, liegt darin, dass das betroffene Spiel dem sogenannten Free-to-play-Geschäftsmodell folgt. Das bedeutet, dass die eigentliche Teilnahme kostenlos ist und der Spielbetreiber sein Geld mit dem Verkauf virtueller Zahlungseinheiten verdient, die Spieler in Premium-Items investieren können. Dabei handelt es sich um spielinterne Zusatzfunktionen, die entweder die Aktionsmöglichkeiten ihres Käufers erweitern, die Wirksamkeit von Spieleraktionen verbessern oder Bequemlichkeit verschaffen, indem sie mühevolle oder reizlose Einzelhandlungen ersetzen. Auch rein optische Aufwertungen wie individuell auszuwählende Gewänder für eine Spielfigur fallen oft darunter. Die Schummelmechanismen, um die es im Hamburger Prozess ging, stellten ihren Anwendern einerseits Funktionen zur Verfügung, die normalerweise als Premium-Optionen hätten gekauft werden müssen, andererseits auch solche, die es in dem betreffenden Spiel normalerweise gar nicht gegeben hätte. Die Manipulationen waren so zumindest teilweise geeignet, dem Spielbetreiber finanziell das Wasser abzugraben.

Dadurch, dass ihr Produkt einen Schleichweg zu ansonsten kostenpflichtigen Funktionen eines fremden Spiels eröffnete, beuteten die Bot-Anbieter den Ruf des Spielbetreibers zu ihrem eigenen Vorteil aus – so die Hamburger Richter. Vergleichbar sei das Ganze mit einem "Einschieben in eine fremde Serie". Das Interesse der Spieler an kostenpflichtigen Spielerweiterungen werde vorrangig dadurch geweckt, dass der Betreiber die kostenlose Teilnahme am Basisspiel ermögliche. Das so geschaffene Interesse schöpften die Bot-Anbieter ab. Auf diese Weise untergruben sie das Geschäftsmodell des Spielbetreibers, was das Gericht als unlauteres Wettbewerbshandeln wertete.

Aber auch diejenigen Bot-Effekte, die normalerweise im Spiel gar nicht verfügbar wären, fanden keine Gnade vor den Augen des Gerichts. Spieler würden durch die Verlockung, sich gegenüber Kontrahenten Vorteile zu sichern, die der Spielbetreiber nicht vorgesehen habe, zum Vertragsbruch verleitet. Die Vertragsbedingungen des Spielbetreibers, die jeder Teilnehmer beim Eröffnen seines Accounts akzeptiert, untersagen nämlich die Verwendung von "Zusatzprogrammen, Skripten oder sonstigen Hilfsmitteln". Das Verleiten von Vertragspartnern eines Mitbewerbers zum Vertragsbruch ist wettbewerbsrechtlich unzulässig.

Andere Aspekte, etwa die Frage eines rechtswidrigen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (gewissermaßen das Gegenstück zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei natürlichen Personen), konnte das Gericht außen vor lassen.

Untersagt wurde unterm Strich nicht nur, den fraglichen Cheatbot weiterhin abzugeben, sondern auch die Werbung dafür, bei der sich die Bot-Anbieter ziemlich unbekümmert markenrechtlich geschützter Zeichen des Spielbetreibers bedient hatten. Den Streitwert des Verfahrens legte das Gericht mit 100 000 Euro fest. Das klingt nach sehr viel Geld, sofern es das Angebot eines rein spielbezogenen Manipulationswerkzeugs betrifft. Allerdings konnte dem Spielbetreiber als Argument für einen hohen Streitwert unter anderem eine Studie der European Network and Information Security Agency (Enisa) von Ende 2008 dienen. Diese Untersuchung beleuchtet nicht zuletzt die wirtschaftlichen Perspektiven des innerhalb der Spieleindustrie vielfach als kommende Goldgrube betrachteten Free-to-play-Geschäftsmodells: Sie geht von einem Umsatz von 1,5 Milliarden Euro bei virtuellen Gütern weltweit aus.

Dazu Rechtsanwalt Dr. Andreas Lober, der den Spielbetreiber im Prozess vertrat: "Kostenlose Online-Spiele, die sich über den Verkauf von kostenpflichtigen Premium-Funktionen finanzieren, sind einer der wichtigsten Wachstumsbereiche der Unterhaltungsindustrie. Cheatbots bedrohen das Geschäftsmodell. Daher ist es richtig und wichtig, dass das Landgericht Hamburg diesen einen Riegel vorgeschoben hat."

Obgleich die Hamburger Entscheidung für Deutschland wie auch für Europa bislang die einzige ist, die sich mit der rechtlichen Einordnung von Cheatbots befasst, sorgte vor fast genau einem Jahr ein Rechtsstreit für Schlagzeilen, den die World-of-Warcraft-Betreiber Blizzard und Vivendi gegen den Hersteller des Bot-Programms "Glider" in den USA ausfochten. Ein Bezirksgericht in Arizona entschied, dass Anwender des Manipulationsprogramms gegen Copyrights des Spielschöpfers verstießen, und machte den Bot-Hersteller dafür verantwortlich. Darüber hinaus kamen aber auch hier wettbewerbsrechtliche Aspekte zum Tragen. (psz)