Zeitschrift: Marke "Explorer" nicht haltbar
Kein Kunde der Firma Symicron hat nach Recherchen der "Internet World" je einen "Explorer" geliefert bekommen.
Die Angaben, die die Ratinger Firma Symicron zum Vertrieb ihres Produkts "Explorer" gemacht habe, seien höchst zweifelhaft, berichtet die Zeitschrift Internet World in ihrer heute erschienenen Ausgabe 4/2001. Bis 1995 sei die nun als "Explorer" bezeichnete Software offenbar unter dem Titel "Truvelo-OCR" an Behörden vertrieben worden. Kein Kunde der Firma Symicron hat nach Recherchen des Blatts je einen "Explorer" geliefert bekommen.
Der Rechtsvertreter der Firma Symicron, Günter Freiherr von Gravenreuth, hatte mit der Zeitschrift eine Vorführung der Software "Explorer" vereinbart, nachdem eine öffentlich ausgeschriebene Suche nach Käufern des angeblichen Produktes trotz der ausgelobten Prämie von 2500 Mark ergebnislos geblieben war. Nach diesem Ortstermin berichtet die "Internet World", Symicron habe ein Programm namens "Gerograph" präsentiert, auf dessen Startbildschirm deutlich sichtbar der Schriftzug "inkl. Explorer" zu lesen gewesen sei. Es handele sich dabei um eine Software zur Auswertung der Fotos von Geschwindigkeits- und Ampelsündern. Die von Behörden erworbenen Versionen des "Gerograph" zeigten diesen Schriftzug jedoch nicht. Ein Modul namens "Explorer" sei weder in Angeboten noch in Rechnungen jemals aufgetaucht; lediglich bei der Straßenverkehrsbehörde Bielefeld erinnere man sich, die Bezeichnung in einer Programmbeschreibung gelesen zu haben.
Wegen der Benutzung des Namens "Explorer" hat Symicron unzählige Unternehmen und Website-Betreiber abgemahnt oder verklagt. Bereits vor 1995, als mit dem "Windows Explorer" von Microsoft eines der populärsten Softwareerzeugnisse mit diesem Namensbestandteil auf den Markt gelangte, will die Firma die Bezeichnung als Software-Titel verwendet und damit ältere Rechte erworben haben. Der einzige bisher bekannte Beleg war ein Artikel in einem Multimedia-Special der Zeitschrift Chip aus dem Jahre 1991. Der Autor des Artikels, der Multimedia-Spezialist Claus Vester, hat unterdessen erklärt, er habe niemals ein Symicron-Produkt namens "Explorer" zu Gesicht bekommen. Ein Symicron-Mitarbeiter habe ihn lediglich mündlich über ein geplantes Produkt namens Explora informiert, von dem er aber gleichfalls nie wieder gehört habe. Kritiker der Abmahnpraxis bezweifeln daher, dass Symicron den Namen "Explorer" jemals ernsthaft benutzt hat.
Symicron-Anwalt von Gravenreuth behauptet in seinen Prozess-Schriftsätzen, ein Produkt namens "Explorer II" werde seit 1991 zum Preis von 12.500 Mark vertrieben. Das Programm komme "zumeist" als Modul, etwa in der Symicron-Software Gerograph, zum Einsatz. Nach Angaben der Internet World enthielten Angebote der Firma Symicron aus den Jahren 1994 tatsächlich ein OCR-Modul zu dem genannten Preis. Der Name des Moduls lautet jedoch "Truvelo OCR" bzw. "Truvelo-OCR (Symicron Entwicklung)". Das Blatt vermutet, dass die nun vorgeführte Version ausschließlich zu Demonstrationszwecken angefertigt wurde. Das Fazit: "Die Angaben der Firma Symicron scheinen schlicht falsch zu sein."
Angesichts dieser Schlussfolgerungen scheint der Symicron-Rechtsanwalt Günter Freiherr von Gravenreuth auf Distanz zu seiner Mandantin zu gehen. Er selbst habe die Software nur einmal kurz gesehen. Ausserdem habe er Verträge gesehen, in denen von Explorer-Lieferungen die Rede gewesen sei, wird von Gravenreuth in der Internet World zitiert. "So viele Potemkinsche Dörfer können die gar nicht aufgebaut haben." (Detlef Borchers)/ (jk)