SPD-Experte fordert Respekt vor Softwarepatent-Votum des EU-Parlaments
Jörg Tauss, forschungspolitischer Sprecher der SPD, regt zudem eine Überprüfung der gegenwärtigen Praxis des Europäischen Patentamts an.
In ungewohnt scharfer Weise hat Jörg Tauss, forschungspolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, sein Befremden über Äußerungen des Binnenmarktkommissars Frits Bolkestein im Streitfall "Softwarepatente" zum Ausdruck gebracht. Das EU-Parlament hatte durch weitgehende Änderungen am Kommissionsvorschlag reinen Softwarepatenten einen Korb gegeben. Der Niederländer hatte allerdings bereits vor der 1. Lesung der umstrittenen Richtlinie über den staatlichen Monopolschutz für "computerimplementierte Erfindungen" den Europaparlamentariern mehr oder weniger gedroht, die gesamte Richtlinie bei einer Blockadehaltung des Plenums notfalls zu kassieren oder über den Rat der Europäischen Union die Vorstellungen der Kommmission durchzudrücken. Das weitgehende Mitentscheidungsrecht der Abgeordneten in Patentfragen müsse überdacht werden, stellte er in den Raum.
"Diese Form der Kritik an einem Votum eines direkt gewählten europäischen Gesetzgebungsorgans" sei selbst bei einer -- demokratisch sinnvollen -- kontroversen Auseinandersetzung in Sachfragen "in höchstem Maße unangemessen", empört sich Tauss. Der souveränen Entscheidung des Parlamentes sollte auch in Fällen unterschiedlicher Auffassungen und auch von Seiten der Kommission der notwendige Respekt entgegengebracht werden.
Seiner Entrüstung hat der Medienexperte der SPD in einem Schreiben an Kommissionspräsident Romano Prodi Luft gemacht, das heise online vorliegt. Darin bittet Tauss den Italiener, "im weiteren Verfahren in dieser Angelegenheit mäßigend auf Herrn Bolkestein einzuwirken." Er selbst begrüße "im Wesentlichen die Änderungen des Europäischen Parlamentes an dem Kommissions-Vorschlag." Sie seien ein Schritt in die richtige Richtung "im Sinne unserer drei politischen Hauptforderungen bei der Frage der Patentierbarkeit von Softwareprodukten: dem effektiven Ausschluss von Trivialpatenten, der Berücksichtigung der wachsenden Interoperabilitätsanforderungen und der Sicherung verlässlicher Rahmenbedingungen für Open-Source-Entwicklungskonzepte". Zudem regt Tauss in dem Brief eine "intensive" Überprüfung der gegenwärtigen Praxis des Europäischen Patentamts in München an. Bevor diese zum "Maßstab einer gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe" gemacht werde, sei zunächst zu klären, ob die dort gewährten Patente "fraglicher Qualität" wie etwa zu Amazon-Web-Verkaufshilfen oder "Fortschrittsbalken" überhaupt rechtmäßig seien.
In Brüssel selbst feilt derweil der Rat der Mitgliedsstaaten an seiner gemeinsamen Stellungnahme, die frühestens Ende November erwartet wird. Branchenvereinigungen machen ihm dabei die Entscheidung nicht leicht: Während der BITKOM auf eine Rückkehr zur alten Kommissionslinie drängt, haben der Deutsche Multimediaverband (dmmv) und der Linux-Verband dem Parlament den Rücken gestärkt. Die Abgeordneten können in der 2. Lesung, für die es noch keinen Termin gibt, wiederum die Maßgaben des Rats mehrheitlich überstimmen. Dann wird ein Vermittlungsverfahren eingeleitet, bei dem die Kommission weitgehend außen vor ist. Das ganze Verfahren kann sich so noch über ein halbes Jahr oder länger hinziehen, falls sich vorher kein Kompromiss zwischen den fest gefahrenen Fronten herauskristallisiert. (Stefan Krempl) / (jk)