Experte: Angst vor Handyantennen schädlicher als Strahlung

Aus Unkenntnis werden nach Meinung des Leiters des Forschungszentrums für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit an der Universitätsklinik Aachen die Risiken beim Mobilfunk aufgeblasen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 346 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • dpa

Die Angst vor Mobilfunkantennen ist nach Expertenansicht gesundheitsschädlicher als die tatsächliche Strahlung. "Als eine Antenne auf dem Dach aufgestellt wurde, hatten Bewohner plötzlich Kopfschmerzen und konnten nicht schlafen. Aber da war die Antenne noch gar nicht angeschaltet", berichtete der Leiter des Forschungszentrums für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (FEMU) der Universitätsklinik Aachen, Jiri Silny, in einem dpa-Gespräch anlässlich eines Fachkongresses über die Auswirkungen von Mobilfunkstrahlung in Jena.

Aus Unkenntnis werden nach Meinung des Forschers die Risiken des Mobilfunks aufgeblasen. "Das macht den Leuten Angst und sie werden krank", sagte Silny. In den mehr als 7000 wissenschaftlichen Publikationen zum Thema, die FEMU gesammelt hat, lieĂźen sich bislang keine eindeutigen Belege zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Handy-Strahlung finden. Das FEMU wird nach Silnys Angaben zu 80 Prozent staatlich und zu 20 Prozent von der Industrie finanziert, etwa ĂĽber die Forschungsgemeinschaft Funk.

"Es gibt nur ein einziges Risiko, das die Forschung klar nachweisen konnte", erläuterte Silny. "Handys in der Brusttasche können Herzschrittmacher ausschalten und dadurch tödlich sein." Darüber hinaus hätten viele Studien ergeben, dass die Wirkung der Strahlen auf den menschlichen Organismus sehr gering sei. Völlige Entwarnung gibt der Forscher aber nicht: "Einen Nulleffekt kann die Forschung nicht nachweisen."

Die meisten Studien kranken nach Ansicht des Wissenschaftlers an einer geringen Aussagekraft. "Viele Untersuchungen basieren auf nur wenigen hundert Teilnehmern, sind also nicht repräsentativ." Allerdings sei es oft schwierig, genügend Probanden zu finden. "Nur fünf von 100.000 erkranken an Hirntumoren", sagt Silny. "Für eine repräsentative Studie müsste man Millionen Menschen untersuchen." Genauere Erkenntnisse über die Wirkung der Mobilfunk-Strahlung soll eine multinationale Studie der Weltgesundheitsorganisation bringen, deren Ergebnisse frühestens im nächsten Jahr vorliegen werden.

In der Durchsicht der Studien ergibt sich für Silny ein uneinheitliches Bild. "Es gibt Tierversuche, in denen etwas gefunden wurde, andere konnten keine höheren Krebsraten feststellen." Bei Beschwerden wie Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit sei die Einschätzung der Ursache schwierig, da sie sowohl auf Strahlung als auch auf die Angst davor zurückzuführen sein könnten. Weitere Studien hätten aber gezeigt, dass sogar selbst ernannte Sensible in einer Testumgebung keine Strahlung spüren konnten.

"Informationsdefizite sind das größte Problem", resümierte Silny. Debatten über Antennen würden hitzig geführt, viele Menschen wüssten jedoch nicht, dass die Strahlung des Handys am Ohr ein 1000 mal stärkeres elektromagnetisches Feld erzeuge als die Basisstationen. "In einem Haus mit Antenne auf dem Dach existieren ohnehin nur sehr schwache Felder, das ist so wie bei einer Kerze, die Schatten wirft." (dpa) / (jk)