BGH hebt Freispruch wegen rechnungsähnlicher Vertragsangebote auf

Ein Unternehmen hatte 12.000 Scheinrechnungen verschickt und damit 351 Empfänger zur Zahlung für eine dubiose Leistung bewegt. Das LG Potsdam sprach es dennoch vom Betrugsvorwurf frei. Dieses Urteil akzeptiert der Bundesgerichtshof nicht.

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Von
  • Joerg Heidrich

Die Masche ist nicht neu: Mit zum Teil offiziell wirkenden Rechnungen versuchen windige Geschäftsleute seit Jahren, Unternehmen und Privatpersonen zum Abschluss eines meist auf eine wenig nützliche Leistung gerichteten Vertrags zu bewegen. Über einen solchen Fall hatte in einem jetzt veröffentlichten Urteil (5 StR 308/03) der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) zu entscheiden.

Gegenstand des Verfahrens war der Vorwurf des Betrugs in 351 Fällen gegen den Geschäftsführer und Alleingesellschafter einer GmbH. Dieser hatte 1999 an über 12.000 neu gegründete Unternehmen amtlich gestaltete Scheinrechnungen verschickt, mit denen diese zur Zahlung von Beträgen zwischen 380 und 1.100 Mark veranlasst werden sollten. Tatsächlich handelte es sich bei diesen "Rechnungen" aber um Vertragsangebote zur Aufnahme in ein dubioses Faxabrufsystem. Dies war jedoch nur bei sehr genauem Studium des Schreibens und der klein gedruckten Vertragsbedingungen auf der Rückseite zu erkennen. Nicht weniger als 351 Empfänger überwiesen den scheinbaren Rechnungsbetrag unbesehen, so dass insgesamt rund 433.000 Mark auf dem Konto des Angeklagten eingingen.

In seinem Urteil hob der BGH den Freispruch des Landgerichts (LG) Potsdam als Vorinstanz auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück an eine andere Kammer des LG. Der Entscheidung der Potsdamer Richter wollte der BGH in der Revision nicht folgen, da er die Beweiswürdigung der Vorinstanz als widersprüchlich und lückenhaft ansah.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs sprach vor allem die eindeutige Gestaltung der Schreiben als Rechnung und die Tatsache, dass der Absender niemals eine Geschäftstätigkeit entfaltet habe, für eine Täuschungsabsicht des Angeklagten. Wäre es ihm tatsächlich darum gegangen Kunden zu gewinnen, so hätte es nahe gelegen, die angebotene Leistung deutlich vorzustellen. Auf diese habe er aber nur in den auf der Rückseite befindlichen Angaben in winziger Schrift und hellgrauer Farbe hingewiesen. Damit bestehe die Möglichkeit, dass der Angeklagte bei den Empfängern den Eindruck vermitteln wollte, eine Zahlung für eine bereits erfolgte Leistung einzufordern. Hierfür spreche schließlich auch die Tatsache, dass sich die Schreiben gezielt an solche Unternehmen richtete, die kurz zuvor ins Handelsregister eingetragen worden waren. Außerdem sei die GmbH des Angeklagten eine Briefkastenfirma und als solche für die Empfänger schwer erreichbar gewesen.

Unternehmen mit dubiosen Angeboten bedienen sich immer wieder dieser Masche, um unbedarfte Empfänger zur Überweisung von teilweise horrenden Beträgen zu bewegen. Derzeit verschickt eine dänische Firma namens Qname europe "Rechnungen" an Domain-Inhaber. Für 679 Euro sei man für den Eintrag in dem kleinen Browser-Plugin "Qname Accelerator" registriert worden, dessen Nutzen auf einer zweiten Seite im Anschreiben lediglich auf diese Weise erklärt wird: "Es hat sich gezeigt, dass sehr viel Verkehr wegen Fehltastungen und unterschiedlichen Schreibweisen im Internet verloren geht. Dieses Problem haben wir mit Qname Kombi angegriffen."

Als mit Sternchen vermerkte Randnotiz kann der erstaunte Empfänger dann lesen, dass "diese Rechnung Teil einer Werbung und nur dann zu zahlen ist, wenn Sie den vorgeschlagenen Qname nutzen möchten." Ganz offensichtlich spekuliert der Absender darauf, dass die offiziell wirkenden Rechnungen ungeprüft von Buchhaltern in größeren Unternehmen beglichen werden. Ob hier der Straftatbestand des Betrugs erfüllt ist, werden wohl Gerichte zu klären haben. (Joerg Heidrich) / (hob)