Nach Comcast-Angebot Spekulationen über andere Disney-Interessenten

Das überraschende Kaufangebot des größten amerikanischen Kabelnetzbetreibers für den traditionsreichen Medien- und Unterhaltungsriesen hat an der Wall Street Spekulationen über andere Interessenten bis hin zu Microsoft aufkommen lassen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Das überraschende Kaufangebot des größten amerikanischen Kabelnetzbetreibers Comcast für den traditionsreichen Medien- und Unterhaltungsriesen Walt Disney Company hat an der Wall Street Spekulationen über potenzielle andere Interessenten aufkommen lassen. Die Disney-Aktien sind zwar seit vergangenem Jahr kräftig gestiegen, doch liegen sie momentan nicht höher als vor sechs Jahren. Das Wall Street Journal nannte am Donnerstag die InteractiveCorp, Viacom, Time Warner und selbst Microsoft als potenzielle Interessenten. Der australische Medienmogul Rupert Murdoch mit seinem internationalen Medienkonzern News Corp. hat nach Informationen von dpa allerdings bereits dankend abgewunken.

Denkbar wäre nach Darstellung der Zeitung ein gemeinsames Angebot von John Malone mit seinem Medienkonzern Liberty Media und von Barry Diller mit seiner InterActiveCorp. Diller stehe Disney-Chef Michael Eisner nahe und könnte als "Weißer Ritter" zu Hilfe eilen. Beide Investoren hätten die Masse und das Geld, um Disney kaufen zu können. Die Firmen nahmen zu den Spekulationen keine Stellung.

Eine potenzielle Offerte von Microsoft wäre nach Darstellung der Zeitung ein Schock. Microsoft hat mehr als 50 Milliarden US-Dollar in der Kasse und ist an Unterhaltung interessiert. Viacom dürfte als Besitzer der großen US-Fernsehfirma CBS Probleme mit den Wettbewerbshütern bekommen, da Disney das konkurrierende TV- Unternehmen ABC kontrolliert. Viacom sei nur an ESPN interessiert und will nach Darstellung der Zeitung kein Angebot machen. Time Warner hatte lange mit Bilanzproblemen und hohen Schulden zu kämpfen und ist nach der schlecht gelaufenen Hochzeit mit dem Onlineriesen AOL ein gebranntes Kind. Viele große europäische Medienkonzerne sind ebenfalls in schwerem Fahrwasser und dürften deshalb kaum in Frage kommen.

Für Comcast erscheinen wohl die möglichen Konkurrenten um den Disney-Kauf und nicht die Abwehrmaßnahmen von Disney nicht als die eigentliche Gefahr bei der versuchten Übernahme -- hat doch der Medienkonzern nach Ansicht von Börsianern recht schwache Abwerhmechanismen gegen eine feindliche Übernahme. Es gibt keine so genannte "Giftpille", die den Einkauf einer großen Anzahl von Aktien im Verlauf einer feindlichen Übernahme für den Aufkäufer unzumutbar verteuern würde. Auch meint das Wall Street Journal, dass der Austausch eines sich wehrenden Disney-Vorstands für Comcast ungewohnt leicht würde: Der Vorstand wird bei Disney jedes Jahr neu gewählt; der bestehende Vorstand kann zudem durch eine schriftliche Einverständniserklärung durch die Besitzer einer einfachen Mehrheit der Aktien entlassen werden. Vorerst hat Disney erst einmal die Inverstment-Banker von Goldman Sachs und Bear Stearns angeheuert, um bei der Abwehr des Comcast-Angebots zu helfen.

Comcast hatte im Zuge eines Aktientauschs rund 54 Milliarden Dollar geboten, plus die Übernahme von Disney-Schulden in Höhe von 11,9 Milliarden Dollar. Das macht zusammen knapp 66 Milliarden Dollar. Die Offerte ist nach derzeitigen Aktienkursen aber nur noch rund 49 Milliarden Dollar wert. Die Comcast-Aktien sind inzwischen um knapp acht Prozent auf 31,23 Dollar gefallen, während die Disney-Aktien um fast 15 Prozent auf 27,60 Dollar in die Höhe geschossen sind. Viele Analysten an der Wall Street gehen davon aus, dass Comcast sein Angebot erhöhen muss, falls das von der Familie Roberts kontrollierte Unternehmen mit seinen 21 Millionen Kabelfernseh- und fünf Millionen Breitbandkunden zum Zuge kommen will.

Disney sagte zumindest zu, das Angebot von Comcast genau zu prüfen -- auch wenn nach Aussagen von Comcast Disney-Chef Eisner Verhandlungen abgelehnt hätte. Disney ist mittlerweile nicht nur das Mutterhaus von Mickey Mouse und Besitzer mehrerer Film- und TV- Produktionsstudios und Freizeitparks, sondern auch Eigentümer der Fernsehfirma ABC und zahlreicher Kabelfernsehkanäle, darunter des extrem lukrative Sportkanals ESPN. Bei der Vorstellung der Bilanzzahlen für das erste Quartal, die am gestrigen Mittwoch nach Vorlage des Comcast-Angebots erfolgte, meinte Eisner, der Konzern erlebe gerade eine Erholung auf breiter Basis, mit herausragenden Ergebnissen in fast allen Sparten. Der Netto-Gewinn lag bei 688 Milllionen US-Dollar, im gleichen Vorjahresquartal waren es noch 36 Millionen US-Dollar. Der Umsatz stieg von 7,2 Milliarden auf 8,5 Milliarden US-Dollar.

Viele Beobachter bezweifeln aber, ob die klassischen Kerngeschäfte von Disney bei Beibehaltung der Konzernpolitik auf Dauer noch richtig konkurrenzfähig sind und Comcast daher nicht genau zum richtigen Zeitpunkt ein Übernahmeangebot vorlegte. Schließlich geht beispielsweise eine Umsatzsteigerung von 57 Prozent bei Disneys Filmgeschäft vor allem auf Gewinne mit Pixar-Titeln zurück: Die Animations- und Film-Firma von Apple-Chef Steve Jobs hat aber gerade ihre Zusammenarbeit mit Disney aufgekündigt. Für die von Disney produzierten Sequels von Lion King und Peter Pan hatte Jobs dagegen nur Spott übrig. (jk)