EU-Kommissar interveniert für Microsoft [Update]

EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti hatte Microsoft schon einmal mit strengen Strafen gedroht; Binnenmarktskommissar Frits Bolkestein befürchtet aber eine Missachtung der Rechte am geistigen Eigentum von Microsoft.

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Von
  • Jürgen Kuri

Das Kartellrechtsverfahren gegen Microsoft sorgt anscheinend für Zwist in der EU-Kommission: Wettbewerbskommissar Mario Monti, der seit Jahren eine Untersuchung gegen den Softwarekonzern aus Redmond führt, hatte Microsoft schon einmal mit strengen Strafen gedroht. Sein Kollege, Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein, intervenierte nun aber zu Gunsten von Microsoft: Er sei besorgt darüber, dass Lösungen für den Fall Microsofts Rechte am eigenen geistigen Eigentum verletzen könnten, wenn der Konzern verpflichtet würde, zu viele Teile der Quelltexte seiner Software Konkurrenten auf dem Server-Markt offen zu legen. Beamte aus Bolkesteins Abteilung äußerten die Bedenken gegenüber der Financial Times und bestätigten, dass sie in engem Kontakt mit Montis Wettbewerbsabteilung stünden -- dies sei ein normaler Teil der inneren Konsultationen, wenn eine endgültige Entscheidung in so einem Fall anstehe, betonten Mitarbeiter Bolkesteins.

Monti wirft Microsoft vor, auf rechtswidrige Weise seine Marktmacht bei PC-Betriebssystemen auf den Markt der einfachen Server-Betriebssysteme erweitert zu haben. Die Wettbewerbshüter gehen zudem dem Vorwurf nach, Microsoft habe mit der Koppelung des Betriebssystems Windows mit dem Windows Media Player in ähnlicher Weise seine beherrschende Stellung gegen Konkurrenten ausgenutzt. Der Softwarekonzern hatte dagegen immer argumentiert, dass diese Koppelung technisch notwendig sei und den Wünschen der Kunden entspreche.

Ende Januar fällte die Kommission in der Untersuchung über mögliche wettbewerbsrechtliche Verstöße von Microsoft eine vorläufige Entscheidung, die eine Verletzung von EU-Wettbewerbsrecht festhielt. Der Entwurf könnte bereits im März vorgelegt werden; die EU-Kommission will das Wettbewerbsverfahren auf jeden Fall bis zum 1. Mai, dem Tag der großen EU-Erweiterung, abschließen. Über den genauen Inhalt der vorläufigen Entscheidung gibt es bislang allerdings keine genauen Informationen. Im Extremfall könnten die EU-Wettbewerbshüter Microsoft dazu verdonnern, den Windows Media Player aus dem Betriebssystem zu entfernen; auch deutete Monti bereits an, Microsoft könne zur Offenlegung der Kommunikationsschnittstellen zwischen Client und Server verpflichtet werden. Die Kommission kann aber auch eine Geldstrafe von bis zu 10 Prozent des Konzernjahresumsatzes verhängen -- bei Microsoft betrug dieser im Geschäftsjahr 2003 insgesamt 32,19 Milliarden US-Dollar, allerdings hat Microsoft aber auch Rücklagen von insgesamt mittlerweile über 51 Milliarden US-Dollar angesammelt.

Microsoft betonte immer wieder, das Verfahren sei nicht abgeschlossen -- die Verhandlungen mit den EU-Kartellwächtern würden weitergeführt; einen vor kurzem vorgelegten Einigungsvorschlag von Microsoft, der die Auslieferung einer CD mit Software von Microsoft-Konkurrenten umfasste, hat die Kommission aber wohl als unzureichend abgelehnt.

Bolkestein befürchtet aber, eine harte Entscheidung der Kommission gegen Microsoft könne einen "besorgniserregenden Präzedenzfall" schaffen und ein Widerspruchsverfahren vor Gericht auslösen.

[Update]
Glaubt man dem Wall Street Journal, scheint sich Monti der Linie von Bolkestein anzuschließen. Nach Informationen des US-Finanzblatts will Monti zwar Strafen gegen Microsoft verhängen; diese sollten aber so gestaltet sein, dass Microsoft möglichst kein geistiges Eigentum offenlegen müsse. Informierte Kreise in Brüssel glauben, Monti wolle damit vermeiden, dass seine Auflagen vom Europäische Gerichtshof kassiert würden -- der EU-Wettbewerbskommissar musste vor Gericht in letzter Zeit einige peinliche NIederlagen hinnehmen, so etwa im Fall der Strafen gegen VW wegen Wettbewerbsverstößen im Autovertrieb oder beim Vorgehen gegen den Medizindatenerfassungsdienstes IMS Health. Den US-Konzern wollte Monti zur Offenlegung der Erfassungsraster zwingen -- was der europäische Gerichtshof verwarf. (jk)