SCO vs. Linux: Rätsel, Raten und Reaktionen

EV1Servers.net widerspricht der Behauptung der SCO Group, der Provider habe eine siebenstellige Summe überwiesen. Daneben sorgt eine E-Mail für Aufregung, die der Open-Source-Aktivist Eric S. Raymond veröffentlicht hat.

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Von
  • Detlef Borchers

Alle Aktionen der vergangenen Tage, mit denen die SCO Group ihr Geschäftsmodell erweiterte, mit Lizenzen und Klagen bei Linux-Anwendern Ablassgebühren zu kassieren, haben mehr Fragen aufgeworfen als Antworten produziert. Die sonst eher positiv gestimmten Kommentare der Finanzanalysten sind ausgeblieben, prominente SCO-Verteidiger wie Laura DiDio von der Yankee Group sprechen davon, dass die neuen Klagen von SCO entweder ein brillianter Schachzug oder Selbstmord sind.

Vor den Klagen gegen Endanwender hatte SCO mit EV1Servers.net die erste Firma genannt, die eine IP-Lizenz erworben hat. Gegenüber der eWeek hatte SCO-Sprecher Blake Stowell davon gesprochen, dass der US-amerikanische Provider zwar nicht den vollen Lizenzpreis bezahlen musste, doch eine siebenstellige Summe überwiesen habe. Diese Aussage wurde inzwischen von EV1Servers.net in den eigenen Foren dementiert. Robert Marsh, der Chef des Providers, sprach von einer einmaligen Zahlung, die keinesfalls im siebenstelligen Bereich gelegen habe.

Gegenüber den Finanzanalysten der gestrigen Telefonkonferenz relativierte SCO-Chef Darl McBride die Aussage und sprach von mehreren Zahlungen des Providers, die zusammengerechnet werden müssten. Bob Bench, bei SCO für die Finanzen zuständig, nannte unterdessen die drei Firmen, die bereits Lizenzen erworben hatten: neben dem Softwarehersteller Computer Associates sind dies der Gas-Produzent Questar in Salt Lake City und Leggett&Platt, ein Hersteller von Halbzeugen. Diese Firmen sorgten offensichtlich für die bekannt gegebenen Einnahmen von 20.000 US-Dollar. Weitere 10 bis 50 Firmen sollen dabei sein, IP-Lizenzen zu kaufen.

Neben der Telefonkonferenz sorgte eine E-Mail für Aufregung, die der Open-Source-Aktivist Eric S. Raymond als Halloween X veröffentlicht hat. In der Mail, deren Authentizität von SCO bestritten wird, schreibt ein Michael Anderer an das SCO-Management kurz vor dem Zeitpunkt, an dem SCO die Kriegskasse mit 50 Millionen US-Dollar auffüllen konnte und benennt Microsoft als eigentlichen Geldgeber. Alle Anzeichen sprechen inzwischen dafür, dass die Mail gefälscht ist, aber von einem Insider, der auf die Rolle von Anderer aufmerksam machen wollte. So ist Anderer mit dem in der Mail als "Rich" bezeichneten Richard Emerson befreundet. Zusammen mit Darl McBride war Anderer bei IKON Office Solution beschäftigt, die erfolgreich von McBride verklagt wurden. Mit Managern von IKON gründete Anderer schließlich die Firma Silicon Stemmcell, die die Idee entwickelte, aus dem geistigen Eigentum von Firmen Kapital zu schlagen. Mit seiner Firma S2 Strategic Consulting berät Anderer die SCO Group, wie die IP-Lizenzen verkauft werden können. Anderer könnte als Mastermind zusammen mit Darl McBride die Strategie entwickelt haben, mit der die SCO Group ihren Kurs gegen IBM und Novell, aber auch gegen ehemalige Kunden wie Autozone und DaimlerCrysler fährt.

Sowohl Autozone wie DaimlerChrysler haben derzeit noch keine Stellungnahmen zur Klage von SCO abgegeben. Sprecher beider Firmen betonten, dass die Klageschriften, die von Groklaw hier und hier veröffentlicht wurden, noch nicht eingegangen sind.

Zu den Entwicklungen im Streit zwischen SCO, IBM und der Open-Source-Gemeinde siehe den Artikel auf c't aktuell (mit chronologischer Linkliste zu Beiträgen auf heise online und aus Technology Review und der c't):

(Detlef Borchers) / (anw)