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Was war. Was wird.

Nein, Hacker-News gibts in diesen Gefilden nicht, freut sich Hal Faber: Amoklaufende PR-Geeks haben hier nichts zu suchen. Auch wenn zumindest manches Marketing gut genug ist, um internationale Handelskriege anzuzetteln.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Was waren, was sind 497,2 Millionen für Microsoft? Nicht gerade die Portokasse, aber doch ein kleinerer Betrag in einem Konzern, der so gut kapitalisiert ist, dass er einen Handelskrieg führen kann. Es ist eine symbolische Summe, wie die 10 oder 12 Millionen Dollar, die der 19-fache Milliardär Larry Ellison seiner Vermählten geschenkt hat. Viel schlimmer sind die Auflagen, weil sie nicht nur Microsoft, sondern Amerika treffen. Wer bringt es besser auf den Punkt als Steve Ballmer, der davon spricht, dass eine US-Firma sich über US-Software einer anderen US-Firma beklagt, wobei US-Gerichte die Klage bereits als gegenstandlos befunden haben. Jaja, dieser Ballmer. Was macht Europa? Es behindert den nächsten Schritt, die ungestörte Inbesitznahme der Musik. "Ihr Potenzial. Unser Antrieb." Ja, wenn die EU so rumzickt, dann muss Microsoft es vielleicht ganz traditionell machen und Firmen wie Apple oder die SALT-Konkurrenz aufkaufen.

*** Dabei hatte man sich soooo europäisch gefühlt, neulich, auf der CeBIT, als Microsoft im Ikea-Ambiente ausstellte. Die Firma, die jeder Amerikaner mit Europa identifiziert, die Firma, die uns mit dem Billy-Regal beglückte und in Prospekten jahrelang nur Apple-Rechner zeigte, trumpfte groß in Halle 1 auf, wo Microsoft den Stand von Hewlett-Packard geschenkt bekam. Wohnst du noch oder installierst du schon, müssen wir das schwedische Möbelhaus fragen, das noch zu den Tagen der Elchwerbung auf Linux 1.0 umstellte. Ikea ist die Linux-Welt unter den Möblierern, denn auch hier muss man sein Billy-Regal via Inbus erst kompilieren, ehe man es benutzen kann. Allerdings fehlt mitunter der Sägecode, was deutlich macht, dass "Lebst du noch oder wohnst du schon" eine von tiefer CRM^H^H^H Sorge getragene Frage ist. Freies Tischlern ist nicht einfach. Entspannt fläzen, die aus der Bibliothek entliehenen Bücher lesen, oder in dem Buch mit elektronischem Papier blättern, ohne zu wissen, dass es unter Linux läuft und dazu noch deutsche Musik hören, das ist Lebensqualität.

*** Das Stichwort ist gefallen, die deutsche Musik fordert ihre Top Irgendwas, den goldenen Küblbock oder wie immer der Preis heißen könnte. Doch -- wer ahnt es nicht -- sind Heise-Leser geschmäcklerisch. Viele Mehrfachnennungen von Bands und Interpreten erschweren die Sache. Rio Reiser ist in der Häufung tastächlich der König von Deutschland, doch keines seiner Stücke wurde mehrfach genannt. Allein von der Zahl der Nominierungen her müsste die ultimative Liste der deutschen Pop/Rocker so aussehen:

  1. Rio Reiser
  2. Ernst Busch
  3. Udo Lindenberg
  4. Spliff
  5. Fehlfarben
  6. Ton, Steine, Scherben
  7. Die Ă„rzte
  8. Nina Hagen
  9. Ideal
  10. Böhse Onkelz

Kann das angehen? Immerhin, wirklich keine einzige Stimme für Pur, Dieter Bohlen, Nena, Grönemeyer oder Heinz-Rudolf Kunze, niemand votierte für "Sind so kleine Hände" oder "Das weiche Wasser höhlt den Stein", das lässt doch hoffen. Anstelle der definitiven Top Ten kommen die Dollen Dreißig. Dabei bleiben wir subjektiv und Scrollen und Schmunzeln, alphabetisiert:

  • Als Willy Brandt Bundeskanzler war, Funny van Damen
  • Aus den KriegstagebĂĽchern, Blumfeld
  • Bill Gates komm fick mit mir, Welle Erdball
  • Blaue Augen, Ideal
  • Boomerang, 7X mal Deutschland
  • Confusion, Stoppok
  • Deja Vu, Spliff
  • Demokratie, Andreas Dorau
  • Der Traum ist aus, Ton Steine Scherben
  • Die Apokalypse erreicht Borkhorst, Bernd Begemann
  • Du willst immer nur ficken, Tocotronic
  • Es geht voran, Fehlfarben
  • Feurio!, EinstĂĽrzende Neubauten
  • Guten Tag, Wir sind Helden
  • Hubschrauberstadt, Residuum
  • Ich glotz TV, Nina Hagen
  • Jeder Mensch ist mal alleine, Die StraĂźenjungs
  • Kiss the wall, Wolfsheim
  • Klau, lies und kotz, GebrĂĽder Engel
  • Koma, Böhse Onkelz
  • Legal, Illegal, ScheiĂźegal, Slime
  • Letzten Sommer warn wa schwimmn, Cochise
  • Liebe wird oft ĂĽberbewertet, Lassie Singers
  • Malocher, Udo Lindenberg
  • Nocturn, Franz Josef Degenhardt
  • Roboter, Kraftwerk
  • Schlaflied, Die Ă„rzte
  • Schwere See, Element of Crime
  • StroĂźaboh, Wolle Kriwanek
  • Verteidiger des Blödsinns, JBO
  • Waschsalon, Bap
  • Zauberland, Rio Reiser

*** Zu den Liedern, vor denen ich fliehe, gehört der Hackersong. Hacker, das ist eine positive Bezeichnung für alle, die ihre Grenzen bei der Nutzung des PC suchen, schwärmt die nun über uns kommende Hacker-News und hackt gleich einmal den Verstand wie die Grammatik: "So wird kontinuierlich eine Bewegung von stets neuen Ideen und Beziehungen zu Internet und Computern kreiert und Hacker News hilft den Jugendlichen dabei, sich in dieser weltweiten Netzgemeinschaft, ihrem Denken und ihrer Philosophie, zurecht zu finden." Was ist blos, wenn Hacker älter werden und nicht wie Stallman mit seinem Song auf Tournee gehen können? Werden sie womöglich Spießer? Das die Beziehung zwischen Hackern und Nicht-Hackern eine ist, in der erst die Medien den Hacker konstruieren, konnte in dieser Woche bestaunt werden, als aus dem ursprünglich genannten Meisterhacker ein einfacher Krimineller wurde. So schwierig ist es nicht, einen Keylogger anzustöpseln.

*** Eine rasche Verwandlung hat auch Richard Clarke hinter sich, der erste Amerikaner, der sich bei den hinterbliebenen Familien des 11. September entschuldigte. Twister heißt das Spiel, das nicht nur die Amerikaner im Gewirr der Aussagen spielen können. Das Ausmaß der Ignoranz ist beeindruckend. Mit dieser Einübung in die menschliche Fähigkeit, die Fakten schmiegsam an die Dinge zu binden, möchte ich auf den einzigen Jahrestag dieser kleinen Wochenschau hinweisen. Heute vor 25 Jahren passierte es in Harrisburg, dass nichts passierte, weil Atomkraft ja so sicher ist. Unterdessen begeistert sich das Netz für die Bilder einer jungen Russin, die mit ihrem Motorrad durch das verlassene Tschernobyl brettert.

*** In den Kinos führt Mel Gibson mit der Geschichte eines Gekreuzigten vor, dass die Juden satanische Killer sind. Das drehen die kecken Juden natürlich um -- Always look on the right side of life. Die staatlich institutionalisierten Rechthabejuden, die Anhänger einer Kultur des Wegsehens haben nun die Lizenz zum gezielten Töten erhalten: "targetted killings" sind ab sofort der Zwilling der "collateral damages". Auch wenn es den verrückten Scheich Yassin getroffen hat, dessen Lebenswerk die Vernichtung sowohl israelischer Zivilisten als auch der Verträge von Oslo anno 1993 gewesen ist, wäre dies eine Sache der Palästinenser gewesen? Wir schauen weg. "Harry, hol schon mal den Wagen."

Was wird.

Wenn es so etwas wie Reue im harten Business gibt, dann findet man sie in dem Schurkenstück, das Shakespeare noch nicht schreiben konnte. "Ich würde es nicht wieder tun", verkündet Robert Marsh von Everyones Internet, bekannt unter EV1Servers.Net. Gemeint ist der Kauf einer Intellectual-Property-Lizenz der SCO Group, die vor Klagen durch SCO schützen soll. Weil Marsh sein Hosting-Geschäft betroffen sieht, ist seine Aussage eine Warnung an alle Firmen, die mit dieser Lizenz liebäugeln. Derweil soll die SCO Group in Spanien vor dem Abschluss einer großen IP-Lizenz stehen, die von einer Studie spanischer Rechtsanwälte begleitet wird. Sie soll die Aussagen eindrücklich belegen, dass die unter der Woche doch sehr frech auftretende Novell keine Rechte an irgendeiner Version von Unix mehr besitzt.

Das alles soll die kommende Woche in Europa bringen, während es in den USA etwas nüchterner zugeht, Novell macht sich vor Gericht noch lustig, doch die SCO Group bemüht sich derweil schon, mit Eingaben vor Gericht die schwächeren Argumente auszugliedern. Die Hintergründe zu dieser Schauer-Geschichte könnte man mit dem berühmten Streit um Wasser vergleichen, sie sind seit dieser Woche hier lesbar aufbereitet und können demnächst hier erörtert werden. Derweil sind "Zehn Kleine Unix-Zeilen" von Helpdesk drauf und dran, ein Klassiker des deutschen Liedgutes (siehe oben) zu werden.

Nach der CeBIT, der Brainshare, dem PC-Forum und anderen Veranstaltungen ist Erholung angesagt. Nur die guten Menschen von der Sicherheit kennen dies nicht und produzieren prompt die nächste Veranstaltung im schönen Basel. Erstmals ist die Forensik vertreten, bei der tote Festplatten mit allen Mitteln gepeitscht werden. Autsch! Ist es wirklich schon so spät? Wer hat an der Uhr gedreht? So bleibt nur, eine gute Nachtruhe zu Wünschen, die wieder einmal eine Stunde kürzer auszufallen hätte -- unabhängig alles wie auch immer noch diskutierten Für und Widers einer einstmals als Energiesparmaßnahme gedachten und später als Verwaltungsakt erneuerten Maßnahme zur Anpassung an die Nachbarländer, die die meisten bis heute weder in seinem Sinn noch in seiner praktischen Durchführung begriffen haben. Und wieder sind wir müde, so müde. Und wollen schlafen, schlafen, einfach nur schlafen ... (Hal Faber) / (jk)