Gravity Probe B erfolgreich ins All geschossen
Der 700 Millionen Dollar teure Detektor soll unter anderem den so genannten "Frame Dragging"-Effekt messen, den die Allgemeine Relativitätstheorie voraussagt.
Der Detektor Gravity Probe B ist erfolgreich an Bord einer Delta-II-Rakete gestartet worden. Das 700 Millionen US-Dollar teure Projekt soll zwei Voraussagen der Allgemeinen Relativitätstheorie bestätigen.
Der Start hatte sich wegen einer Panne um 24 Stunden verzögert. Die Techniker hätten bei der Übertragung der neuesten Winddaten in die Raketensteuerung kurz vor dem Start zu wenig Zeit für eine Überprüfung einkalkuliert, hieß es in einer Mitteilung der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA.
Einsteins 1916 veröffentlichte Gravitationstheorie beschreibt die Schwerkraft als Krümmung der Raumzeit und ist bis heute nicht widerlegt. Sie baut auf dem so genannten Äquivalenzprinzip auf, welches lokal besagt, dass man experimentell nicht feststellen kann, ob man sich in einem Schwerefeld im freien Fall oder in der Schwerelosigkeit befindet. Nach der Formel E = mc2 haben alle Energieformen wie massive Körper oder Licht einen Einfluss auf die Krümmung der Raumzeit. Die mathematisch gut definierte Theorie ist in der Praxis jedoch überaus komplex, da sich ihre Gleichungen nur in wenigen Spezialfällen exakt lösen lassen.
Voraussagen auf Basis der Theorie wie die Perihelpräzession des Merkur wurden bereits 1919 erfolgreich getestet, ebenso wie die Ablenkung von Licht durch massive Körper (Gravitationslinsen) und die gravitationelle Rotverschiebung des Lichts bei Austritt aus einem Gravitationsfeld (nicht zu verwechseln mit der Rotverschiebung durch die Ausdehnung des Universums). Zwei bisher nicht bestätigte Voraussagen sind erstens der von Gravity Probe B zu testende Thirring-Lense- oder "Frame Dragging"-Effekt, der durch die Erddrehung zustande kommt und die Raumzeit zusätzlich quasi verdrillt, und zweitens die Gravitationswellen -- die Ausbreitung von kleinen "Störungen" in der Raumzeit.
Die zwei Voraussagen der Allgemeinen Relativitätstheorie, welche jetzt die Gravity Probe B testen soll, sind die Krümmung der Raumzeit durch die Erdmasse und der "Frame Dragging"-Effekt. Die Erde hat jedoch eine vergleichsweise geringe Masse und Rotationsgeschwindigkeit und besonders der "Frame Dragging"-Effekt ist sehr schwach. Der Detektor soll daher in einen Orbit von 640 km über der Erdoberfläche gebracht werden, der über die beiden Pole führt. Die Achsen der mitgeführten Kreisel sollten sich der Theorie nach pro Jahr um 6,6 Bogensekunden (1/3600 Grad) durch die Krümmung der Raumzeit und um zusätzliche 0,041 Bogensekunden durch den "Frame Dragging"-Effekt ändern.
Kreisel mit derartiger Genauigkeit zu konstruieren war denn auch die Hauptschwierigkeit bei der Entwicklung des Detektors. In seinem Inneren befinden sich vier rotierende Quarzkugeln, die bis auf 40 Atomlagen genau sphärisch rund sind und als Kreisel dienen. Diese werden von supraleitenden, 1,27 Mikrometer dünnen Niob-Schichten umgeben, gekühlt von 2500 Litern flüssigem Helium. In diesen Schichten entsteht ein sehr schwaches stabilisiertes Magnetfeld -- äußere Magnetfelder müssen daher um den Faktor 1012 abgeschwächt werden. Die Änderung der Drehachse wird dann durch die Messung des magnetischen Moments ermittelt.
Gravity Probe A lieferte übrigens 1976 die Bestätigung, dass die Zeit durch Gravitation beeinflusst wird. Dazu wurde ein Detektor mit einer extrem genauen Uhr auf eine Umlaufbahn von 10.000 km geschossen und lieferte außerdem die mit 200 ppm (parts per million) bisher genaueste Messung des Äquivalenzprinzips. (mhe)