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Was war. Was wird.

Angebote, die man nicht ausschlagen kann, gibt es leider nicht viele -- und wenn, kommen sie immer zur falschen Zeit, trauert Hal Faber. Aber wir alle hätten ja etwas Bedeutendes werden können.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Wir trauern. Wir trauern um den besten Schauspieler der Welt. Wir trauern um den Schauspieler, den Philosophen, den nach Ansicht von Robert de Niro "ersten Rebellen", wir trauern um den Spinner und um den Aktivisten für Indianerrechte, der seinen zweiten Oscar ablehnte und Kleine Feder die Oscar-Rede halten ließ, wir trauern um den Verwirrten, den irrlichternden Anti-Medienmenschen. Wir trauern um Johnny Strabler, um Terry Malloy, um Kowalski, Paul, Fletcher Christian, Don Vito Corleone und Colonel Walter E. Kurtz. Wir trauern um den Mann, der dem Rebellen, dem hässlichen Amerikaner und der amerikanischen Utopie, dem Grauen Vietnams und dem Abgrund der USA, dem Kleinbürger, dem Proleten, dem Aufsteiger, dem Paten und dem Aussteiger ein Gesicht geben konnte. Wir trauern darum, dass nun auch Marlon Brando ein Angebot gemacht wurde, das er nicht ablehnen konnte. "Ich hätte jemand Bedeutendes sein können", glaubte Terry Malloy -- Brando war es.

*** So, nun ist aber genug getrauert, wischen wir uns die kleine Abschiedsträne aus dem Augenwinkel und widmen wir uns -- ja, was nur? Knall! Wumm! Peng! Rumms! Nein, wir sind hier nicht im Comic, sondern im richtigen Leben. Alles kommt plötzlich, unverhofft und ist dann natürlich ein Wunder und nervt. Wer heute dem Wunder von Bern ausweichen will, das angeblich vor 50 Jahren über Deutschland hereinbrach, muss eine Ohren zuteeren und die Augen verhängen, die Medien nicht anrühren und am besten den Ganzkörperkiosk abschalten. Sonst kann es auch noch passieren, dass man sich mit einem verkrampften Parvenü, auftrumpfenden Spießer und unkreativen Heißmacher beschäftigen muss, den ein verkopfter Kritiker zur wundersamen EM erfindet. Über 20 Bücher sind zum Wunder von Bern erschienen, nur wenige davon mit einer Kritik über das spießerhafte Wunder-Gerede. Ja, früher freute man sich wohl über die "Helden von Bern", doch der Schwachsinn mit dem Wunder wurde erst 1994 erfunden, als der Bedarf für Wunder gerade mal wieder groß war. Tor! Tor! Tor! Tor für Deutschland: Die zwanghaft mit einer Radioreportage unterlegten Fernsehbilder unterlegten ein Wirtschaftswunder, das auch gekommen wäre, wenn ganz Deutschland (Ost & West) nach dem großen Morden nur Mikado gespielt hätte.

*** Vielleicht spricht man ja in wenigen Jahren vom "Wunder von Lissabon", als die mechanischen Rumpelfüßler ihren menschlichen Kollegen zeigten, was eine Harke ist. So wird denn ein Roboterhund neues Fußballidol der Deutschen, während ein Fachfragen beantwortender und als Altertümler kritisierter Sportlehrer ein paar Maschinisten hinten rein stellt und ein dauerlächelnder Präsident mit Plattitüdenstürmen die Republik verschwäbelt. Rumms! Autsch! 'Tschuldigung, bin sinnierenderweise kurz über der Tastatur eingenickt. Manchesmal ist es doch ganz schön, wenn ein auf harte Gegenstände treffender Kopf einem wieder in die Realität zurückbefördert. Wie, das war die Realität? Platsch! Rumms!

*** Rumms! Wumms! Strahl! Plötzlich war ein Leuchten am Himmel und das Licht strahlte taghell nicht von Bern aus, sondern vom Krebsnebel, als heute vor 950 Jahren von chinesischen und japanischen Sterndeutern die Explosion einer Supernova beobachtet wurde. Genau das richtige Ereignis, um an den Tod des Astrophysikers Thomas Gold zu erinnern, der am 22. Juni starb. Von ihm stammt die 1967 formulierte Erkenntnis, dass Pulsare wie jener im Krebsnebel rotierende Neutronensterne sind. Noch angenehmer ist freilich seine mit Fred Hoyle formulierte "Steady State Theory" mit der ruhigen Annahme, dass unser Weltall nicht Rumms!, Wumms! per Urknall entstand, sondern ein ewiges Kontinuum ist. Lieber die Schweiz überall, ewig und für immerdar, als dieses einzigartig eklige Wunder von Bern, müsste man mit dem Skiläufer Gold postulieren. Die Antwort auf das Universum und der ganze Rest sollte wirklich nicht einfach Peng! lauten. "Ja", sagte Deep Thought, "das schaffe ich."

*** Ein anderes wichtiges Ereignis ist natürlich die amerikanische Unabhängigkeitserklärung vor schlappen 228 Jahren. Feierlich könnte ich hier vom "Streben nach Glückseligkeit" schwärmen, das so viel umfassender ist als das schnöde "Just for Fun" des Linux-Gurus Linus Torvalds, dass ich fast Darl McBride Recht geben muss, wenn er Open Source und/oder freie Software anprangert, die das Recht auf monetäres Glück verhindere. Aber nur fast, denn die Argumentation mit dem Geld ist tückisch, wie das Pariser Beispiel zeigt. Dort soll Microsofts Software plötzlich (rumms?) nur noch die Hälfte kosten, und darüber ist man bei Microsoft glücklich und stolz -- so der Vertrag gewonnen wird. Passend zum Unabhängigkeitstag hat übrigens ein amerikanisches Gericht Unabhängigkeit bewiesen und den rechtlosen Guantanamo-Häftlingen ein paar Rechte gebilligt. Noch passender ist indes, dass Freedom Fries in den USA nun von Amts wegen als frisches Gemüse gelten.

*** Da hat das abgeschlaffte Deutschland wenig zuzusetzen, das einen Bandscheibenvorfall nach dem anderen meldet. Bald werden wir uns für den aufrechten Gang der verbleibenden SPD-Politiker unter der Haut zu tragende Titankörbchen wünschen. Wie gut indes, dass nun im Schulterschluss mit den amerikanischen Freunden der Erweiterte System Infanterist der Zukunft antritt, im feschen Kleid, das 340.000 Euronen pro Nase kostet, "damenkugelschreibergroßen Plastik-Stick" für die PDA-Bedienung inklusive. Bei diesen Preisen ist es nicht verwunderlich, wenn man drittklassig bleiben will.

*** Aber, aber. Zumindest in der Sprache ist Deutschland innovativ, geradezu weltweite Spitzenklasse, nicht nur beim Plastik-Stäbchen. Ehrfürchtig ziehe ich darum meinen Hut vor der Erfindung der Quelle-Taste, für die es in dieser Woche sogar noch einen herausragenden Preis eines Vereins namens dmmv gab. Der selber alles toppte: Statt den bedeutungslosen Verein aufzulösen, veredelte eine Versammlung von Schießbudenfiguren den Namen zum Bundesverband Digitale Wirtschaft, nach dem Vorbild von Arbeitsagentur. Nun kämpfen sie, der Bundesverband Digitale Wirtschaft, der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke und die Bürgergemeinschaft der Dörfer Weitenhagen um der Deutschen Gunst. Oberdoppelriesenmist, das alles.

*** Hilft die Jugend? Macht sie plötzlich Rumms!, haut sie Peng! auf den Tisch und sorgt mit Knall! und Ratatata! für neue Perspektiven? Nicht doch. Zuallererst preisbloggt sie, natürlich um einen wichtigen, einen unverzichtbaren Preis, für den ein blindes Verständnis der Quelle-Taste zur Teilnahmebedingung gehört. Danach zeigt sie, wie man aus einem Blog, Peng!, Peng! Argumente klaut und entstellt, bis aus einer engagierten Studentin eine gefährliche Geschichtsrevisionistin wird, über die mit ASTA-Macht und einer gehörigen Portion justiziabler Schmierentricks der linke Faschismus der empörten anständigen Deutschen zugeworfen wird. Da ich nun einmal nicht blogge, bleibt das Erstaunen über eine Szene zurück, die sich nicht wehren kann, wenn ein diktatorischer ASTA jeden Bezug zur Realität verliert und von der Urkundenfälschung bis zum Geldentzug jedes Machtmittel einsetzt, das er besitzt. In der so verlachten und längst abgeschriebenen Presselandschaft hätte es längst Gegendarstellungen und Klagen gehagelt. In der Blogosphere sind wir aber ganz verständnisvoll und linken zu allen Argumenten.

*** Cheng! Tsiaaouu! Peng! Peng! Auf einen Blog möchte ich aber doch noch aufmerksam machen. Er widmet sich Dr. Jiang Yanyong, einem der Helden der schon wieder vergessenen SARS-Epidemie, der sich mit offenen Worte zum Jahrestag des Massakers auf dem Tianamen-Platz meldete. Zu seinem Nachteil. Dort, wo man die SMS der Bürger überwacht, Internet-Cafés schließt und Suchmaschinen nur eingeschränkt arbeitend erlaubt, liegt die digitale Zukunft. Das zumindest weiß der Bundesverband der digitalen Wirtschaft, der ein Abkommen mit seinen chiensischen Partnern unterzeichnete und sich demnächst auf Einladung der Chinesen mit einer großen Delegation aufmacht, das Land der Mitte zu erkunden.

Was wird.

Wumm! Aus ists. Die Betrüger und Schmarotzer sind umzingelt, weil die bereits im vergangenen Jahr konzipierte Verax-Liste des elektronischen Datenabgleichs über die Bestände mehrerer Krankenkassen hinweg zum ersten Juli hin in den Praxistest überführt wurde. Die neue Transparenz gegen den Sozialbetrug läuft an, ohne dass ein Datenschützer einen Blick auf das Procedere hat werfen können, mit dem die Krankenkassen ihre Bestände abgleichen. Vielleicht ist das ein erster Vorgeschmack auf die Karte, die die Gesundheit fördern soll und dabei die Krankheit Überwachung einschleppt. Ein Symposium des Verbandes deutscher Arztpraxis-Softwarehersteller will am Dienstag in Berlin aufklären.

Noch spannender gestaltet sich die Diskussion um Softwarepatente, nachdem die Holländer gezeigt haben, dass sie zwar keinen Fußball spielen, aber immerhin nachdenken können. Während Microsoft ein Patent auf seine Taskbar-Anordnung bekommt, steigt am Dienstag zu München eine Demonstration gegen die Patentkinschen Dörfer. Denn Potemkin ist einfach überall.

Und wo bleibt das Positive? Ja, es wird: Im Hintergrund singt gerade Solomon Burke live at the House of Blues. Das macht auch all diese Geschehnisse zumindest aushaltbar. (Hal Faber) / (jk)