Microsoft und die geostrategischen Missverständnisse

Wer sich weltweit bewegt, kann auch weltweit Fehler machen. Das hat ein Microsoft-Mitarbeiter auf einem Kongress der International Geographical Union an Beispielen demonstriert.

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Ein global orientiertes Unternehmen muss damit rechnen, dass global auch Fettnäpfe aufgestellt sind. Das hat Microsofts Experte für geopolitische Strategien, Tom Edwards, an Beispielen demonstriert. Auf dem Kongress der International Geographical Union, der zurzeit in Glasgow abgehalten wird, zählte er einige Beispiele auf. So habe das Unternehmen in Indien 200.000 Kopien des Betriebssystems Windows 95 zurückziehen müssen, da man auf einer Landkarte die Region Kaschmir in einer anderen Farbe als das übrige Indien dargestellt habe. Medienberichte bringen das auf den Punkt: Die acht andersfarbigen Pixel hätten Microsoft Millionen gekostet.

Die Strategen aus Redmond hatten nicht bedacht, dass sich hierzulande oder in den USA kaum jemand daran reibt, wenn auf Landkarten die Grenze zwischen Pakistan und Indien in Kaschmir gestrichelt dargestellt wird. Dabei hat der Konflikt um die Region, die von beiden Ländern beansprucht wird, seit der Unabhängigkeit der beiden Länder bereits zu drei Kriegen geführt. Ärgste Befürchtungen gingen sogar zwischenzeitlich von einem möglichen Atomschlag der beiden Nuklearmächte aus.

Vertriebspartner von Microsoft können durch derlei Irrtümer oder Missverständnisse auch ihre Freiheit aufs Spiel setzen. So seien einige gar einmal für Vernehmungen verhaftet worden, weil die Software Encarta 95 das Gebiet Kurdistan innerhalb der Türkei gesondert auswies. Die türkische Regierung erreichte, dass Microsoft die Bezeichnung entfernte, woraufhin kurdische Kunden protestierten. Ähnlich erging es Microsoft in der Volksrepublik China, weil es Taiwan als eigenständiges Land vermerkt hatte.

Doch die Redmonder rutschten nicht nur auf diplomatischem Parkett aus, sie haben in der Vergangenheit mit ihrer Software auch schon einmal religiöse Gefühle verletzt. Die Regierung Saudi-Arabiens forderte Microsoft etwa zur Rücknahme des Spiels Kakuto Chojin auf, in dem Gesänge mit Koranversen als Soundtrack dienten. Die Microsoft-Verantwortlichen sagten zwar zu, die beanstandeten Gesänge aus künftigen Versionen zu entfernen, wollten aber die Originalversion weiter verkaufen. Diese wurde daraufhin in Saudi-Arabien verboten.

Microsoft-Mitarbeiter können aber manchmal nicht nur durch Ignorieren regionaler oder religiöser Besonderheiten auffallen, es darf auch die reine Unkenntnis sein. Diese schlug sich in einer für Lateinamerika lokalisierten Version von Windows XP nieder. Darin hatten die Microsoft-Sprachexperten die Geschlechtsangaben für ein Nutzer-Formular aus dem Englischen in die Wörter "varon" für "männlich", "No especificado" für "keine Angaben" und "hembra" für "weiblich" übersetzt -- und dabei nicht bedacht, dass "hembra" in manchen lateinamerikanischen Ländern für "Hure" gebraucht wird. (anw)