Ausländische Handyhersteller holen sich Marktanteile in China zurück

Nokia und Co. haben im Reich der Mitte nicht nur Markanteile gewonnen, sondern gleichzeitig auch ihre Durchschnittserlöse steigern können.

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Ausländische Handymarken konnten am chinesischen Markt in China verlorene Marktanteile zurückgewinnen -- mit Ausnahme von Siemens und Alcatel, deren Marktanteile eingebrochen sind. Dies geht aus einem heute veröffentlichten Bericht der Deutschen Bank (Asia-Pacific Equity Research) hervor. Der Markt selbst wächst weiter stark. Im ersten Halbjahr wurden im bevölkerungsreichsten Land der Welt jeden Monat durchschnittlich 6,1 Millionen neue Mobilfunkkunden geworben, was die Gesamtzahl der User auf 305,3 Millionen (etwa 282 Millionen GSM und rund 23 Millionen CDMA) steigen hat lassen. Im Jahresabstand bedeutet dies ein Plus von 30,2 Prozent. Damit wurde das im gleichen Zeitraum "nur" 24,4 Prozent gewachsene Festnetz (295,5 Millionen Anschlüsse) überholt. Nach einer staatlichen Schätzung sind 600 Millionen Chinesen potenzielle Handyuser, die Nutzerzahlen können sich also langfristig noch einmal verdoppeln.

Weitere 3,2 Millionen pro Monat haben sich für den "limited mobility"-Standard PHS entschieden, was dessen Userzahl auf rund 57 Millionen Chinesen erhöht hat. Die Analysten der Deutschen Bank erwarten den Höhepunkt der PHS-Verbreitung in China mit 100 Millionen Nutzern 2006. Gleichzeitig prophezeien sie ein weiteres Wachstum des GSM- und CDMA-Endgeräteabsatzes, für das dritte Quartal 2004 wird es auf 10 bis 15 Prozent im Jahresabstand geschätzt. Zwar wird der Gebrauchthandymarkt immer wichtiger, gleichzeitig steigt bei Chinesen aber der Bedarf an Ersatzgeräten. Zudem wächst die Nutzung der Mobilfunknetze intensiv: Im ersten Halbjahr 2004 wurden in China geschätzte 465,1 Milliarden Minuten mobil telefoniert (nach 307,1 Milliarden im 1. Halbjahr 2003, ein Plus von mehr als 51 Prozent) -- und intensivere Nutzer wünschen sich in der Regel höherwertige Handys.

Die chinesischen Handyproduzenten haben mit mehreren Problemen zu kämpfen. Ihre Marktanteile fallen wieder, die Durchschnittserlöse (ab Fabrik) für ihre Geräte sinken und Forschung und Entwicklung laufen auf Sparflamme. Hatten sie im Dezember 2003 beim Marktanteil noch an der 40-Prozent-Marke gekratzt und die ausländischen Hersteller nervös werden lassen, ist ihr Anteil im laufenden Monat auf 36,2 Prozent zurückgefallen. Überproportional stark verloren haben die größten chinesischen Anbieter Bird (5,0 nach 7,1 Prozent im Dezember), TCL (4,7 nach 5,9 Prozent) und DBTEL (2,4 nach 4,7 Prozent noch im März). Kleinere heimische Hersteller haben aufgeholt. Während am Gesamtmarkt der Durchschnittpreis eines Handys (ab Fabrik) bei etwa 1700 Renminbi (RMB, rund 168 Euro) stabil geblieben ist, ist der Erlös für die nationalen Hersteller unter 1000 RMB (rund 99 Euro) gefallen.

Die ausländischen Unternehmen haben also nicht nur Markanteile gewonnen, sondern gleichzeitig auch ihre Durchschnittserlöse steigern können. Nach dem im vergangenen Jahr ihre Marktanteile gesunken waren, hatten sie ihre Strategien angepasst und umstrukturiert. Klarer GSM-Marktanteilführer mit wieder rund 22 Prozent ist Nokia. Unter den zehn meistverkauften Modellen in China finden sich auf den Plätzen 1 bis 6 sowie 9 Nokia-Handys. Zweitgrößter Anbieter ist Motorola (14,7 Prozent, leicht negativer Trend) vor Samsung (9,7 Prozent, stark wachsend) und Sony Ericsson (5,1 Prozent, stark wachsend). Insbesondere Samsung (rund 250 Euro Durchschnittserlös), Sony Ericsson (rund 220 Euro) und Motorola (rund 200 Euro) sind mit hochpreisigen GSM-Telefonen erfolgreich. Indes stammen nicht einmal mehr drei von 100 in China verkauften Geräten von Siemens -- und auch deren Preis ist mit rund 150 Euro unterdurchschnittlich. Siemens ist in Stückzahlen von Platz 3 auf Position 10 zurückgefallen. Eine Partnerschaft mit Bird soll nun aus der Misere helfen. Doch Bird hat selbst deutliche Marktanteilsverluste hinnehmen müssen.

Auf 0,6 Prozent Marktanteil marginalisiert hat sich die französische Alcatel; allerdings hat Alcatel die Fertigungsabteilung verkauft und wird im laufenden Quartal ein Joint Venture mit der chinesischen TCL-Gruppe gründen. Am kleineren CDMA-Markt, der höhere Endgerätepreise aufweist, führt Samsung (43 Prozent) klar vor LG (23 Prozent) und Motorola (18 Prozent). Chinas ZTE liegt hier mit vier Prozent auf Platz vier, einen Punkt und Platz vor Nokia.

In China gibt es etwa 120 Handyhersteller, rund 40 von ihnen dürfen ihre Produkte legal am nationalen Markt verkaufen. Sie müssen mindestens 60 Prozent ihrer Produktion exportieren. Diese Vorschrift soll die Handelsbilanz des Landes verbessern. Für die chinesischen Firmen könnte sich die Lage aber bald weiter verschärfen: Nächstes Jahr wird womöglich eine Beschränkung fallen, die seit 1999 den Markteintritt neuer Konkurrenten verhindert. Vor allem nationale Unternehmen, die bisher in anderen Branchen tätig sind, dürften dann ihr Glück mit Mobiltelefonen versuchen und den Konkurrenzdruck im Niedrigpreissegment weiter verstärken. Da die eingesessenen chinesischen Hersteller kaum Forschung und Entwicklung betreiben, können sie nicht in höherwertige Marktsegmente ausweichen. Einige versuchen daher in europäische Märkte vorzudringen -- wie etwa Bird durch die erwähnte Partnerschaft mit Siemens. Noch nicht alle haben aber erkannt, dass die in China erfolgreichen Designs europäischen Konsumenten oft wenig attraktiv erscheinen. (Daniel AJ Sokolov) / (anw)