Neues österreichisches Gütesiegel für Daten-Dealer ist umstritten
Ein "Gütesiegel" für den Umgang mit personenbezogenen Daten durch Werbetreibende soll die Verbraucher besser schützen. Datenschützer haben daran allerdings einiges auszusetzen.
Ein "Gütesiegel" für den Umgang mit personenbezogenen Daten durch Werbetreibende namens Fair Data wurde am heutigen Montag in Wien vorgestellt. Kritik von Datenschützerseite folgte auf dem Fuß. Der Direct Marketing Verband Österreich (DMVÖ) und der Fachverband Werbung in der Wirtschaftskammer des Landes haben in Abstimmung mit der Datenschutzkommission im Bundeskanzleramt Verfahrensregeln und Richtlinien in einem "Code of Conduct" zusammengestellt. Was vom DMVÖ als "Quantensprung für den Datenschutz" und "Maßstab für Europa" bezeichnet wird, führt keine neuen Vorschriften ein, sondern soll "vorhandene einschlägige Gesetze praxisorientiert konkretisieren". "Unterschiedlich auslegbare Stellen im Datenschutzgesetz und in der Gewerbeordnung machen Werbetreibenden ihren Job oft nicht leicht", meint der DMVÖ.
Wenig Freude über das "Fair-Data"-Siegel zeigte der Datenschutzexperte Hans Zeger von der Datenschutzvereinigung Arge Daten Privacy Service im Gespräch mit heise online: "Das ist kein Fair-Data-Siegel, das ist ein Unfair-Pickerl. Die Auslegung des DMVÖ und des Bundeskanzleramtes, wonach bei öffentlich zugänglichen Informationen kein Datenschutz mehr besteht, ist grotesk. Das widerspricht der EU-Richtlinie Datenschutz genauso wie dem Code of Conduct der europäischen Direktmarketing-Föderation FEDMA." Veröffentlichte Daten dürften nur für den Zweck, für den sie veröffentlicht wurden, verwendet werden. Die in Österreich geübte Praxis des Abschreibens etwa aus Telefonbüchern sei illegal. Zwar genehmige eine Bestimmung im Datenschutzgesetz die freie Verwendung veröffentlichter Informationen, diese Bestimmung widerspreche aber der EU-Datenschutzrichtlinie. Daher sei eine Verwendung von Daten gegen den eigentlichen Zweck ihrer Veröffentlichung unlauterer Wettbewerb; Arge Daten würde alsbald Musterverfahren anstrengen. Außerdem fordert Zeger alle Adressverlage und Direktvermarkter dazu auf, Personen bei Aufnahme ihrer Daten in ein Verzeichnis sofort zu informieren, wie dies auch der FEDMA-Code vorsieht.
Die Richtlinien des DMVÖ sind für seine 422 Mitgliedsunternehmen ab sofort verpflichtend; andere Unternehmen können freiwillig erklären, den Code of Conduct zu befolgen, und dürfen dann gegen eine jährliche Gebühr von 360 Euro ebenfalls das "Fair Data"-Siegel führen. Für Fragen der Auslegung der Auslegungshilfe selbst und für Beschwerden von Betroffenen wird der DMVÖ ein Clearingforum Direktmarketing einrichten. Die Verhaltensregeln gelten zwar allgemein auch für die Verwendung elektronischer Adressen für Direktwerbung (E-Mail, SMS etc.), setzen sich aber nicht mit deren Besonderheiten und unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften (Opt-In für Konsumenten, Opt-Out für Unternehmer als Empfänger von Werbung) auseinander. Eine entsprechende Ergänzung der Verhaltensregeln soll bis zum Frühjahr 2005 erfolgen.
Der Fachverband Werbung informiert hier über vier Opt-Out-Lösungen für von Werbung Genervte, nämlich die Robinsonliste gegen persönlich adressierte Werbung von Fachverbandsmitgliedern. Zweitens der beim Postamt zu unterzeichnende Verzicht auf die Zustellung nicht persönlich adressierter Zusendungen ("An einen Haushalt"), die mit Registrierungsnummer versehenen Aufkleber gegen Reklamematerial an der Wohnungstür und die von der Regulierungsbehörde RTR geführte Liste von E-Mail-Adressen, deren Inhaber keine Zusendung kommerzieller Kommunikation wünschen. Arge Daten hält hier eine Reihe von Musterbriefen bereit, mit denen jedermann Auskünfte und Datenlöschungen begehren oder zum Beispiel auch Beschwerde bei der Datenschutzkommission führen kann. (Daniel AJ Sokolov)/ (tol)