SCO vs. Linux: Ein Mantel hat Probleme mit dem Inhalt

Die laufende Auseinandersetzung zwischen SCO und IBM über angeblich geklauten Source-Code in Linux treibt auch außerhalb der Mauern des Gerichtsgebäudes die seltsamsten Blüten.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

In der laufenden Auseinandersetzung zwischen der SCO Group und IBM über angeblich unrechtmäßig kopierten Source-Code zitierten Rechtsanwälte von SCO in der letzten Anhörung aus vertraulichen Dokumenten. Wenige Tage nach der Verhandlung erschien auf den Online-Seiten der US-Zeitung Linuxworld ein Bericht, der sich mit dem zitierten, mittlerweile vom Gericht unter Verschluss genommenen Material beschäftigte. Nach diesem Bericht, der zurzeit nur noch über die Linux Business Week verfügbar ist, steht IBM unter Beweisnot, weil Source-Code von AIX nicht gefunden werden kann. Augen- und Ohrenzeugen der Verhandlung bezweifeln seitdem, dass Maureen O'Gara, die Autorin des Berichtes, die nicht vor Ort der Verhandlung beiwohnte, den vertraulichen Teil korrekt wiedergegeben hat. Damit steht der Verdacht im Raum, dass O'Gara so berichtet hat, wie ihr SCO-Quellen das vertrauliche Material zugänglich gemacht haben.

Während O'Gara derzeit von dem Gericht in Salt Lake City eine Aufhebung der Verschlusssache und eine Veröffentlichung des Sitzungsprotokolles verlangt, hat sich die Redaktion der Linuxworld von ihrem Bericht distanziert. In einer Erklärung der Herausgeber heißt es, man habe keinen Einfluss darauf, was Frau O'Gara in der Linuxworld publiziere, weil dieses Material als fertig redigierter Text von der Linux Business Week angeliefert werde, welche wiederum ihr Material von der Verlagsgesellschaft Sys-Con beziehe. "Drucktechnisch" gesehen stellt damit die Linuxworld nur den "Mantelteil" ihrer Online-Präsenz zur Verfügung, während Linux Business Week gewissermaßen die "Lokalausgabe" fertigt. Die Redaktion bedauere, die Leser über die unterschiedliche Produktionslage im Unklaren gelassen zu haben, heißt es.

Noch härter als die Herausgeber der Linuxworld beurteilen die für die Linuxworld arbeitenden Journlisten die Situation im Forum der Zeitschrift. So meldete sich der Senior Editor James Turner zu Wort und erklärte, dass man mit den Artikeln von O'Gara seit langer Zeit unzufrieden sei, weil bei ihr Fakten ungenügend geprüft und mögliche Gegenpositionen nicht genannt werden. "Die schlimme Realität ist die, dass die Redaktion des Magazins absolut Null Einfluss auf den Inhalt der Website hat. Wir können nett fragen, aber das war es auch schon", beschreibt Turner die skurrile Situation, in der der Zulieferer Sys-Con mächtiger erscheint als der Herausgeber. Bei Sys-Con, das nach eigenen Angaben ein Dutzend Web-Präsenzen mit Inhalten beliefert, bestreitet man hingegen die Darstellung der Linuxworld. "Jeder Kunde ist frei, Artikel nicht zu nehmen", heißt es bei Sys-Con, wo man unbeirrt an der Geschichte von O'Gara festhält und sie prominent auf der Homepage bereithält.

Zu den Entwicklungen im Streit zwischen SCO, IBM und der Open-Source-Gemeinde siehe den Artikel auf c't aktuell (mit chronologischer Linkliste zu Beiträgen auf heise online, aus Technology Review und der c't):

(Detlef Borchers) / (jk)