Bund und Länder ringen um präventive Post- und Telefonüberwachung

Die Neufassung eines Schnüffelgesetzes, das ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen soll, gestaltet sich schwierig.

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Die Neuregelung des Gesetzes zur präventiven Telekommunikation- und Postüberwachung durch das Zollkriminalamt gestaltet sich schwieriger als erwartet. Nachdem Pläne der Innen- und Rechtspolitiker der Länder, den Entwurf zur Novelle der Bundesregierung durch das Einfügen zahlreicher neuer Überwachungserleichterungen deutlich aufzubohren, bereits im Plenum des Bundesrats selbst gescheitert waren, schien eine Einigung in Sicht. Die Länderkammer hatte aber moniert, dass einzelne Regelungen des Reformvorstoßes nicht durch die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gedeckt seien und "in unzulässiger Weise" in die Organisationshoheit der Länder eingreifen würden. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung (Bundestagsdrucksache 15/4237) nun Widersprüche in der Argumentation des Bundesrates entdeckt und beharrt auf ihrer eigenen Gesetzgebungskompetenz sowie in großen Teilen auf ihrem ursprünglichem Entwurf (PDF).

Im Kern geht es in dem Streit um die Frage, welche Landes- und Bundesbehörden gewonnene Erkenntnisse aus den Bereichen Staatsschutz, Betäubungsmittelkriminalität, Geldfälschung, Geldwäsche, Terrorismusbekämpfung, dem unerlaubten Außenhandel mit Waren, Datenverarbeitungsprogrammen und Technologien in Fällen von erheblicher Bedeutung oder mit Waffen vom Zollkriminalamt erhalten und verarbeiten dürfen. Vor allem sind sich Bund und Länder nicht einig, wann auch der Bundesnachrichtendienst mit personenbezogenen Daten aus den Überwachungsmaßnahmen versorgt werden soll.

Grundsätzlichere Kritik an dem Neuregelungsgesetz bringt die Humanistische Union (HU) vor. In einem Schreiben an den Rechtsausschuss des Bundestags, der sich als Nächstes mit dem Entwurf befassen wird, beanstandet sie, dass während der zwölfjährigen Geltungsdauer des alten Gesetzes eine Evaluierung nicht stattgefunden habe. Nun soll nach dem Willen der Regierung im Schnellverfahren ohne Sachverständigenanhörung die Novelle beschlossen werden, ohne dass dem Parlament und der Öffentlichkeit Umfang und Erfolg der bisherigen Überwachungsmaßnahmen bekannt sind, beanstandet die HU. Aufgrund einer parlamentarischen Anfrage im Jahre 2001 habe das Bundesjustizministerium lediglich darüber informiert (PDF), dass bis dahin 24.356 Brief-, Post- und Paketsendungen geöffnet wurden. Die Zahl der abgehörten Telefonanschlüsse und Telefonate hat das Ministerium nicht veröffentlicht -- genauso wenig wie Zahlen über die effektiv verhinderten Verstöße gegen das Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollgesetz.

Die HU schlägt daher vor, das neue Gesetz bis zum 31. Dezember 2005 zu befristen und im ersten Halbjahr 2005 Anhörung und Evaluierung nachzuholen. Bis dahin soll die Bundesregierung "evaluierungsfähiges Zahlenmaterial" vorlegen und später dem Bundestag halbjährlich Bericht erstatten. Doch selbst in dem Fall, dass die Abgeordneten die Novelle abnicken, droht nun ein Vermittlungsverfahren mit dem Bundesrat.

Der Gesetzentwurf zielt hauptsächlich darauf ab, die Pflicht zur Benachrichtigung der Betroffenen über eine konkrete Schnüffelmaßnahme auf "alle Personen und Personenvereinigungen" auszudehnen. Auf eine Information soll nur verzichtet werden können, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert oder die Abwägung der Interessen verschiedener Betroffener dem entgegen steht. Erforderlich macht die Novelle eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März. Demnach muss der Gesetzgeber die Schnüffelprivilegien des Zolls bis zum Jahresende deutlich eingrenzen. Die Einhaltung der Frist scheint jetzt aber nicht mehr realistisch. (Stefan Krempl) / (tol)