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Was war. Was wird.

Wem Suchmaschinen fremd sind, dem könnte es im Hundertlinkwald unbequem werden. Darüber denkt Hal Faber auf einem Platz nach, dem ein hoher Angriffsfaktor zugeschrieben wird.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Der Heise Zeitschriften Verlag mit seinem Web-Angebot, in dem diese kleine Wochenschau erscheint, kann sich zur *Rechtfertigung der Linksetzung* nicht auf die Pressefreiheit durch Art. 5 des Grundgesetzes berufen. "Diese finde in den entsprechenden Vorschriften des Urheberrechts eine wirksame Einschränkung und müsse im vorliegenden Fall gegenüber den Eigentumsinteressen der Musikindustrie zurückstehen", meldete der unbestechliche Heiseticker unter der Woche. Halten wir also fest, dass die Eigentumsinteressen der Musikindustrie die Pressefreiheit einschränken dürfen. Wer wirklich Pressefreiheit will und keinen Staat, in dem das Urheberrecht pervertiert als Eigentumsinteresse diese Freiheit erodiert, muss offensichtlich die mächtige Musikindustrie eines Besseren belehren. Ob das gelingt, muss angesichts der auftretenden *Retorten-Schabracken* unter dem Label Musiker bezweifelt werden. Die Jugend hat sich längst mit Grausen abgewendet. Am Ende geht diese unsere mächtige Musikindustrie womöglich dazu über, die Pressefreiheit weiter in ihrem Eigentumsinteresse zu definieren: Wer nicht darüber schreibt, wie irre aufregend toll die volle Dröhnung auf der neuen Scheibe von Jürbert Grönemaffey rüberkommt, sondern anmerkt, dass das kurzatmige Gequake dieser Künstler an den Nerven zerrt, macht sich einen negativen Blick auf die Musikindustrie zu eigen, der hinter den Eigentumsinteressen zurückstehen muss.

*** Jaja, wir sind Helden in diesem unseren Land, das phishige Links erlaubt, die Linksetzung der Presse aber im Interesse der Musikindustrie shreddern möchte. Kein Link darum heute, keinen einzigen Link für die große Eleanora Fagan Gough, die in dieser Woche vor 90 Jahren geboren wurde und unter dem Namen *Billie Holiday* über 200 Schallplatten aufnahm. Für diese Aufnahmen sah sie keinen Cent, da alle Stücke im Eigentumsinteresse der Musikindustrie als Promotion-Material deklariert wurden. Sie trug es leicht: "Wenn ich ein Lied wie The Man I Love singe, so ist das nicht mehr Arbeit als beim Chinesen gebratene Ente zu essen, aber ich liebe gebratene Ente." Wie kommt's, so könnte man mit der taz fragen, die die authentische Musik feiert und nur Live-Konzerte als Musik gelten lassen will -- und die Aufnahmen solcher Konzerte, von Live at the Apollo über Made in Japan bis zum Unplugged in New York.

*** Nun stehen meine Anmerkungen ja an einem Platz mit *hohem Angriffsfaktor*, wie es in der Urteilsbegründung heißt. Faktoren machen eine Sache immer viel komplizierter, wie wir aus dem Bericht von Christopher Robin wissen, der *Pu dem Bären* zum Schluss die Welt erklärte: "Leute, die Könige und Königinnen hießen, und etwas, das Faktoren hieß, und ein Ort namens Europa und eine Insel mitten im Meer." Bei diesem Bericht fiel Pu bekanntlich ins Grübeln über die Faktoren und beschloss, als Ritter gegen sie zu kämpfen. "Ist das so toll wie ein König und wie Faktoren und die ganzen anderen Sachen, die du erzählt hast?" "Na ja, so toll wie ein König ist es nicht", sagte Christopher Robin, und dann, als Pu enttäuscht aussah, fügte er schnell hinzu: "Aber es ist toller als Faktoren." So ist es: Toller als Faktoren! Wagemutiger als alle Angriffsfaktoren! An dieser Stelle ist es einfach toll, wenn die Faktoren genannt werden, ob mit Link oder ohne. Denn von hier aus schwärmen die Surfbären aus, stürmen gegen hohe und höchste Faktoren, bis es knackt im Gebälk der Webserver, was deutsche Richter als Angriffe interpretieren. Angriffe auf Faktoren, die durch das Setzen eines Links um "ein Vielfaches bequemer" gemacht werden, natürlich nur für Bären von geringem Verstand, denen Suchmaschinen halt fremd sind im Hundertlinkwald. Doch alles dies ficht einen aufrechten Pu nicht an, gegen die Faktoren zu kämpfen und statt Links den *Delocator* zu nutzen.

*** Die Vorschriften des Urheberrechts, die die Pressefreiheit einschränken, scheinen jedoch etwas undeutlich geschrieben zu sein. Nehmen wir nur die Website über *Ozeane*, wo es heißt: "Wie überlebt man als Robbe oder Fisch in den dunklen und kalten Gewässern der Antarktis?" Passagen dieser Website tauchen wortwörtlich in dem Roman *derschwarm* auf und das ist alles ganz sehr erlaubt, so sehr ein Bär von geringem Verstand darüber staunt, denn "Frank Schätzing hat nichts anderes getan als wissenschaftliche Erkenntnisse in seine Romanhandlung zu integrieren und diese als Anregung für die Schilderung tatsächlicher Vorgänge zu benutzen und in die Handlung des Romans einzuarbeiten. Das Urheberrecht lässt es zu, bei der Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen auch einzelne Formulierungen frei zu benutzen." Ja, wenn das so ist, und alles so wunderbar frei erlaubt ist beim Urheberrecht, wie es der große Verlag gegen den kleinen Journalisten und Meeresbiologen mit seiner abgegraptschten Website anführt, dann erkläre ich kurzerhand das WWWW zu einem Roman, der rückblickend das Jahr 2005 beschreibt: "Auf der Suche nach der verlogenen Zeit."

*** Besonders apart liest sich die Abwatschung des kleinen Wortklaus im käuflichen ePaper der FAZ, die in ihrem Fäule-Ton Frank Schätzing die Schuhe leckt und gegen den "hobbymäßigen Website-Betreiber" scheinheilig die Open Source anmahnt: "Während es in der Scientific Community längst üblich ist, Ergebnisse zur kollektiven Nutzung ins Netz zu stellen, während die Linus- und Open-Source-Bewegung das Netz als Avantgarde-Medium einer offenen Gesellschaft versteht, will Orthmann offenbar das eigene Steckenpferdchen unter Artenschutz stellen, als sei die Verbreitung des Romans eine wissensökologische Katastrophe." Dass eine "Linus-Bewegung" die kollektive Nutzung nur bei Nennung aller Quellen toleriert, ist dem FAZ-Autor nicht aufgegangen. Das Schwärmen für Schwarm-Intelligenz schadet offenbar der eigenen. Wenn Schwärme schwer Mode sind, darf auch der *Trendtag* nicht fehlen, bei dem der Schwarm Schwerpunktthema ist und die Trendkanaillen zum Link labern: "Links sind wichtiger als Produkte. Qualität allein genügt nicht. Erfolg ist ein Netzwerkeffekt. Schwache Bindungen sind stärker als starke Bindungen. Bekannte sind wichtiger als Freunde." Wer diesen Quark breittritt, wird auch den Blödsinn vom *Toothing* Glauben schenken, das die Freunde vom Register als selbstfabrizierten Gag eines englischen Journalisten enttarnten, wird von den *Smart Mobs* schwärmen, die Howard Rheingold entdeckt zu haben glaubt.

*** Die Pressefreiheit, ehe wir das im Schwarm hier vergessen, findet in den entsprechenden Vorschriften des Urheberrechts eine wirksame Einschränkung und muss gegenüber den Eigentumsinteressen der Musikindustrie zurückstehen. Freiheiten dieser Art sorgen dafür, dass die Firma Slysoft in Antigua Wurzeln geschlagen hat. Das bringt mich zum Projekt sea-code, das im *Sourcingmag* vorgestellt wurde. Das Projekt will ein luxuriöses Kreuzfahrtenschiff kaufen, mit allen Annehmlichkeiten für Programmierer ausstatten und außerhalb der Drei-Meilen-Zone dümpeln lassen. Offshore sollen so die besten 600 Programmierer der Welt frei von allen möglichen legalen Zwängen den besten Code der Welt schreiben. Ja, das nenne ich die "artgerechte Haltung von Informatikern", die gerade von IBMs Dinstinguished Engineer Gunter Dueck auf den *Informatiktagen* auf Schloss Birlinghoven (!) angemahnt wurde. Kasernieren auf dem Cruiser ist OK, wenn der Rest die Fortsetzung der Langnese-Werbung in RL ist.

*** Heute vor 50 Jahren starb *Teilhard* de Chardin, mithin der einzige Philoso-Viehtreiber, dessen Homepage den genialen Babelfish ehrt. So be it: Hal öffnet die Pod-Bay! "Nach einem zähen und verbreiteten Vorurteil würde das so zerbrechliche Leben scheinbar und scheinbar so selten im Universum auch nur einen zufälligen Unfall und also ein ganz sekundäres Element in der Kosmogenie darstellen. Eh gut es ist Ende für Ende selbstverständlich, daß in der Hypothese einer 'Welt, die sich aufrollt', man diese Vorstellung umwerfen muss." Ohne Teilhard hätte er 2001 nicht schreiben können, munkelte einst mein Ziehvater Arthur C. Clarke. Sein *Childhood's End* nannte er einstmals einen Teilhard-Roman, dessen Idee im Englischen von den Cybertheoretikern zum *Global Brain* verhackstückt wurde.

*** Der soziale Superorganismus dieser Superrepublick muss den Abgang von *Max von der Grün* nennen, der mit seinen Schilderungen aus dem Leben der Kumpel als Arbeiterschriftsteller abgestempelt wurde und dabei doch gar nicht im Sinne des Bitterfelder Wegs schrieb. Seine Geschichten aus den Ledigenheimen, von dem Arbeiterhunger des Ruhrgebiets muten heute wie Märchen an, die Beschreibung der Bosse und Gewerkschaftler ebenso. Aus seinen Erzählungen machte Rainer Werner Fassbinder seine Acht Stunden sind kein Tag. Wer heute schreibt, der wird viel über die Nicht-Arbeit schreiben müssen, über das durch Hartz IV gesteuerte Abschieben der Menschen, die schlicht nicht mehr gebraucht werden, die überflüssig sind und selbst beim Spargelstechen nur im Wege sind. Die Samstagsausgabe der *Frankfurter Rundschau* brachte es in aller Klarheit an den Tag, wie dieser Staat vorgeht, der ein sozialdemokratisches Mäntelchen trägt. Im eigenen wohlverstandenen Staatsinteresse müssen also die Rechte des Einzelnen zurückstehen, wenn die Sicherheitsüberprüfungen, die 2002 zur Terrorbekämpfung eingeführt wurden, auf die Hartz-IV-Bearbeiter ausgedehnt werden. 1544 IT-Spezialisten wurden zum "Sabotageschutz" sicherheitsüberprüft, ihr Privatleben durchleuchtet und decodiert. Auch hier muss ich schwarmstracks zitieren: "Die verhältnismäßig hohen Fallzahlen /../ sind auf einen hohen Überprüfungsbedarf bei der Bundesagentur für Arbeit im IT-Bereich zurückzuführen. Die sensible öffentliche Reaktion auf 'Computerpannen' beim dem Start von Hartz IV Anfang 2005 unterstreicht, dass die Beeinträchtigung dortiger Aufgabenwahrnehmung -- die für das Funktionieren des Gemeinwesens unverzichtbar ist -- erhebliche Unruhe in erheblichen Teilen der Bevölkerung entstehen lassen würde." Der Staat hat Schiss und Wolfgang Clement empfiehlt sich als Kandidat für den Big Brother Award. Armes, kaltes Deutschland.

Was wird.

Der Ausbau der Bürgerüberwachung ist auch in anderen Ländern im vollen Gang, wie die Panopticon'05 zeigt, die 15. Konferenz über *Computers, Freedom & Privacy*, die am Dienstag in Seattle startet. Und wenn ich diesmal nach Italien verweise, so nicht zum hysterischen Rom, sondern zum beschaulichen Abano Terme, wo die *FLOSS2005* stattfindet und sich mit dem Einsatz von Open Source in der Verwaltung beschäftigt. Dort möchte man sinnvollere Sachen diskutieren als die Studien aus Microsofts "Get the Facts", die wie eine schlechte Fernsehserie immer wieder auftauchen und seltsame Belege bieten. In der vergangenen Woche war die mit ihren SoftRAM-Tests berühmt gewordene Firma Veritest an der Reihe, jeweils 18 Linux- und 18 Windows-Sysadmins zu befragen und aus dieser Befragung zu kristallisieren, dass Endanwender unter Windows 15 Prozent produktiver sind. Dafür startet in der kommenden Woche am 13. wieder einmal das ultimative Spektakel, wenn die SCO Group erklärt, wie sie mit ihren umfassenden Eigentumsinteressen Gewinne macht. In der vergangenen Woche sorgten die Unix-Spezialisten für Heiterkeit, als bekannt wurde, dass sie nicht in der Lage waren, die Tarfiles auf den vom Prozessgegner Autozone geschickten CDs zu lesen. Darum werden mal wieder vom Gericht großzügig die Fristen verlängert. Hm, vielleicht hat die Linksetzung nach der Methode *2ROT13* eine kleine Chance, als zulässige Nichteinmischung in die vom Urheberrecht gestützten Eigentumsinteressen der Musikindustrie anerkannt zu werden. Deutsche Richter, die das Internet nicht verstehen, gibt es ja genug. Das sind die Faktoren. Denkt einmal nach ... (Hal Faber) / (anw)