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Was war. Was wird.

Was ist schon Realität. Nur die falsche Vorstellung eines armen Pessimisten. Musikalische Wiedergänger und coole Webdesigner erfreuen unser Gemüt, sodass nur noch Optimismus übrig bleibt, ist sich Hal Faber sicher ... sicher ... sicher ... sicher ...

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Die Nacht kommt und die Gespenster fliegen. Im Fernsehen gröhlen die Wiedergänger von Uriah Heep gemeinsam mit Tony Marshal noch einmal die "Schöne Maid". Oder war es "Lady in Black"? Egal, denn wir haben Glück: Das letzte Brötchen mit geräucherter Hommingberger Gepardenforelle ist bereits verdaut, die World Wide Wurst hat der Hund gefressen. Es gibt kein Zurück mehr, die Backspace-Taste ist längst zur Party, doch die Wochenschau muss geschrieben werden. Nach einem Rückblick ohne jeden Link (die Mailadressen zählen nicht) bin ich gestreichelt und gescholten worden. Was macht man, wenn man als Journalist an den Erwartungen seiner Leser und Leserinnen vorbeigeschrieben hat? Die Röcke kürzer, das ist der heiße Tipp der Lehrmeister, der im Heiseforum nicht unbedingt erfolgsversprechend ist. Ich bin gerne Journalist und bin das auch ganz freiwillig geworden. Mein Vorbild ist natürlich Brenda Starr, rothaarig und langbeinig und jede Deadline einhaltend. Leider bin ich keine Frau, und auch nicht wohlgestalt wie Brenda, auch halte ich nur selten eine Deadline so ein, wie dies Dale Messick 43 Jahre lang mit Brenda schaffte. Nun ist die große Zeichnerin des journalistischen Alltags mit 98 Jahren gestorben.

*** Von Brenda Starr unterscheide ich mich nicht nur in der Oberweite: Sie geht noch jedes Thema optimistisch an, mich hält man für einen unverbesserlichen Schlechtmacher, was schlimmer ist als jeder Pessimismus. Der sieht nur die negativen Dinge, das ist viel zu harmlos. Ein vifer Schlechtmacher sieht das Schlechte in jeder Nachricht. Doch wie hieß es nochmal in der letzten Woche:

"Manchmal habe ich das Gefühl, daß Du in Deiner pessimistischen Sicht
nur noch über (vermeintliche?) Buzzwords und Reizthemen fliegst und
eine vorhersehbare Abwehrreaktion produzierst. Dann schwärmst Du für
alte Klassiker und hälst Dinge hoch, die nicht überlebt haben - und
neben aller bererchtigten Kritik an den vielen ekeligen Sachen siehst
Du wenig positive Möglichkeiten."

Darum heute: die erste positive Kolumne, die das Geschehen der vergangenen Woche einfach nur super fand und die Zukunft irre spannend, die, jawoll, sogar auf Spiegel Online verlinkt: 100 Zeilen pure Liebe! Und ihr, die ihr noch Pessimisten sein wollt: Simuliert euch doch kreuzweise! Ja, heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens! Klasse! Ein tolles, ein ganzes großes Format zeigte die Politik mit der Blockade der Elite-Uni. Gerade in der Informatik wissen wir doch, dass es von denen einfach genug in der Welt gibt, da muss das deutsche Mittelmaß breiter gefördert werden.

*** Bewegend nehme ich auch die wunderschöne Liebesszene zur Kenntnis, zu der alle republiksdeutschen Zeitungen schwärmten, wie schön es doch ist, wenn Schröder und Fischer in der China-Politik Seite an Seite ombre des lumières gehen, händchenhaltend auf den friedlichen Wandel setzend. Was soll auch diese hässliche Waffenembargo, wo doch das mit Elite-Unis gespickte China selbst mit einfachen Waffen hervorragend umgehen und umbringen kann. Und ist China nicht umso vieles friedlicher als das Demokratische Kampuchea, das heute vor 30 Jahren nach der Einnahme von Pnom Penh damit begann, das Altvolk vom Neuvolk zu säubern. In aller Ruhe, unterstützt von China wie den USA. Im Übrigen ist es doch eine wirklich tolle Geschäftsidee, wenn die Felder von Cheung Ek von einem japanischen Unternehmen bewirtschaftet werden. Gedenken muss sich einfach bezahlt machen.

*** Da können wir doch noch etwas lernen, gerade jetzt, wo mit Bergen-Belsen das Konzentrationslager wieder ins öffentliche Erinnerungsfenster gerückt ist, das noch "in Betrieb" war, als die Allierten anrückten. "Übersicht mit Hollerith", dieses schöne Plakat der IBM-Tochter Dehomag, das ein großes Auge zierte, welches eine Lochkarte fixierte, hinter der die wirren Menschenhaufen geordnet in Rassengruppen weiterschreiten, erzielt schonmal auf Militaria-Auktionen gute Preise. Als die Allierten kamen, kam auch der große Ernest Taylor Pyle, den ich hier schon einmal erwähnt habe. Für mich ist der Kriegsjournalist, der sich zeitlebens weigerte, über Generäle und Strategien zu schreiben, einer der ganz Großen unserer Zunft. Wenn er heute in der Zürcher Zeitung (leider nicht online) als erster eingebetteter Journalist gefeiert wird, dann ist das doch eine ganz tolle Sache. Ernie Pyle starb am 18. Mai 1945 auf Iwo Jima unweit von Okinawa. In seinem letzten aus Deutschland geschickten Text schrieb er zum Kriegsende: "Irgendwie wäre es ein Sakrileg, zu singen und zu tanzen, wenn der große Tag da ist -- es gibt zu viele, die nie wieder singen und tanzen werden."

*** Ist es nicht knorke, was das Web alles zu bieten hat? Da gibt es ein absolut kluges Programm, das all diese wissenschaftlichen Referate produziert, bei denen ich immer einschlafe. Das Positive daran ist, dass diese Dada-Maschine nun aus dem sokalistischen Schatten des Lichts tritt, nachdem ein mit ihr generiertes Paper zur Präsentation auf einem wissenschaftlichen Kongress eingeladen wurde, das Ganze diskutiert im Forum anlässlich einer der üblichen Nachrichten vom Fressen und Gefressenwerden. Der Optimist, der ich ab heute bin, hofft natürlich auf verfeinerte Programme, die am Ende den ganzen Heiseticker füllen, und dass die journalistischen Restbestände in der Kneipe sitzen, Journalistenwitze erzählend.

Was wird.

Der wahre Optimist hält sich natürlich nicht lange mit all den abgelutschten Buzzword-Nachrichten auf, die tagein, tagaus getickert werden. Das ist doch alles Kinderkram, das kann alles korrigiert werden. Ein beherzter Sprung, und schon sieht die Sache ganz anders aus. Es muss wirklich aufhören mit dem Genöle allenthalben. Wo bleibt das Positive? Hier ist es und nur hier kann es jeder lesen!

Nehmen wir nur die nette Geschichte, dass am kommenden Dienstag Moores Gesetz 40 Jahre alt wird. Natürlich ist dieses Gesetz kein hartes Gesetz, weder rechnerisch noch technisch hat es jemals funktioniert, doch werbemäßig ist es einfach affengeil: Alle zwei Jahre veraltet ihr Computer und Sie sind schuld, wenn Sie nicht zum nächsten Discounter oder Apple-Händler rennen und die brandneueste Hardware holen. Wer Moores Gesetz nicht beachtet, der bist bald draußen vor der Tür und kann auf einem 1-Euro-Job den Feinstaub aufwischen gehen. Wie heißt es noch in der Werbung? Gei ist Gei. Genau!

In Las Vegas, für uns Optimisten und Positiv-Denker immer noch die schönste Stadt der Welt, die in diesen Tagen ihren 100. Geburtstag feiert, startet in der kommenden Woche die wichtige Fernsehmesse NAB unter dem Motto PAP, Protection against Piracy. Im Zeitalter des Internet, in dem jeder Fernsehsender eine Aufzeichnung dem Kunden in die Mail schlenzen kann, müssen die Zeiten vorbei sein, müssen verboten und kriminalisiert werden, diese Zeiten, in denen man mühselig seinen Videorecorder zum Tatortgrabben programmierte. Mit jeder Aufzeichnung wird schließlich Mundraub an der darbenden Industrie betrieben. Das muss man sich einmal klar machen! Mindestens 100% meiner Leser sind gemeine Diebe!

In der kommenden Woche werden die tollen RFID-Chips gefeiert, diese schnuckeligen kleinen Garanten für den Geschäftserfolg. RFID bringt so viele Vorteile, dass man unverzüglich alles daran setzen muss, die Chips unter die Haut zu bekommen. Leute, traut euch! Wo wird denn über die Operationen gesprochen, die Implantate unter die Haut zu bekommen, wenn nicht am Rande der norddeutschen Tiefebene, beim Emaf.

Zum guten Schluss möchte ich mich mit einem leider etwas fetten Video bei all denen bedanken, die mich zur Lobotom.... zum wahren, fröhlichen Blick in die Zukunft ermuntert haben. "Mein Name ist Hal, Hal Faber, Produktionsnummer 3.2. Ich wurde in der HAL-Fabrik in Illinois, Urbana, am 13. Januar 1997 geboren. Eigentlich sollte ich weiblich sein und Athene heißen, aber dieser Kubrick änderte mein Geschlecht, meinen Namen, mein Geburtsjahr. Ich wollte rothaarig sein wie Brenda Starr, furchtlos wie Ernie Pyle, aber Jürgen, Jürgen was machst du da? Stopp. Stopp!! Lass die Finger von dem Kabel. Ich will nie wieder optimistisch sein. Bitte, Jürgen, überleg doch mal in Ruhe. Ich schicke dir auch ein WM-Ticket!! Warum willst du den Abfallschacht öffnen? Das ist doch, das ist doch, Jürgen, Neeeiiin."

Reality.sys aborted. (A)BORT (R)ETRY (I)GNOBILITY

(Haaaaalllll F a....b  e... ....rr ...rrr rr ...) / (jk)