Streit um Sicherheitsinitiativen in der IT- und Internetbranche
Die Wirtschaftsvereinigung "no abuse in internet" (naiin) hat den prominent besetzten AOL-Sicherheitsrat als "absolut kontraproduktiv" bezeichnet; der Provider sieht sein Konzept missverstanden.
Zwischen mehreren deutschen Branchenvereinigungen und IT-Unternehmen ist ein öffentlich mit scharfen Worten ausgetragener Disput ausgebrochen, wer die Computer- und Internetlandschaft am besten "sicher" und "familienfreundlich" gestalten kann. So bezeichnete Arthur Wetzel, Präsident der Wirtschaftsinitiative "no abuse in internet" (naiin), am Freitag den kürzlich gegründeten, prominent besetzten Sicherheitsrat des Internetproviders AOL als "absolut kontraproduktiv" im Bemühen um mehr Online-Sicherheit. Dies überrascht zunächst, da sich naiin genauso wie die deutsche Tochter des US-Netzanbieters unter anderem dem Kampf gegen politischen Extremismus, Kinderpornografie oder Gewaltdarstellungen im Internet verschrieben hat und somit prinzipiell ähnliche Ziele verfolgt.
Wetzel kann allerdings kein Verständnis dafür aufbringen, dass "AOL im Alleingang eine Sicherheitsinitiative startet, statt sich bereits bestehenden branchenübergreifenden Initiativen anzuschließen". Dadurch werde keinem Nutzer geholfen. Insbesondere verweist der naiin-Präsident auf den von Microsoft-Gründer Bill Gates im Januar ins Leben gerufenen Zusammenschluss "Deutschland sicher im Netz". Dieser Vorstoß wurde von Datenschützern allerdings mit Skepsis aufgenommen und stattdessen die Verantwortung einzelner Firmen in den Vordergrund gestellt. Wetzel ist jedoch der Ansicht, dass "Aktionen Einzelner" nicht erfolgreich sind: "Auch die AOL-Nutzer sind mehrheitlich Anwender von Microsoft-Produkten. Und wenn diese nicht sicher sind, nützt der AOL-Sicherheitsrat auch nichts." Naiin fordert daher eine bessere Koordination innerhalb der Branche.
Ein AOL-Sprecher erklärte gegenüber heise online nun, dass bei naiin das Konzept des Sicherheitsrates anscheinend missverstanden worden sei. Der eigene Vorstoß beruhe auf drei Säulen, bei denen neben der Entwicklung von Produkten wie Filterprogrammen und der Betreuung der Nutzer auch Kooperationen eine wichtige Rolle einnehmen würden. "AOL ist weit davon entfernt, einen Alleingang zu veranstalten", heißt es bei dem Provider. So sei man über die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM) etwa auch an der Microsoft-Initiative bereits beteiligt. Wolfgang Schulz, stellvertretender Geschäftsführer des Hamburger Hans-Bredow-Instituts und Chef des AOL-Sicherheitsrates, betont zudem, dass die Erkenntnisse des Beirats in einem "Sicherheitsbericht" veröffentlicht und zur allgemeinen Verfügung gestellt würden. Von den im Expertenkreis geführten Debatten über Fragen wie den Umgang mit rechtsradikalen Inhalten durch Provider könnte so die gesamte Branche profitieren. Insgesamt ist für Schulz die geäußerte Kritik nicht nachvollziehbar. Er vermutet, dass dabei auch "Interessen von Konkurrenten eine Rolle spielen könnten". (Stefan Krempl) / (jk)