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Was war. Was wird.

Große Führer der Menschheit und auch seltsame Heilige scheints in letzter Zeit wieder einmal gehäuft zu geben, wundert sich Hal Faber über Rentnerbands und politische Miss-Wahlen. Und schiebt die Auflösung der Sommerrätsel-Kostprobe nach.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Das Vertrauen ist endlich weg und Live 8 gleich auch überstanden, es wird Sommer und die Tour der France ist glücklich gestartet -- auch wenn Ullrich auf der Grande Boucle hinterher zu radeln scheint: Was will ich mehr, hier in meiner von Sonne verwöhnten norddeutschen Tiefebene. Nur B.B. King musste sein hannoveraner Abschiedskonzert am Freitag im strömenden Regen absolvieren, während einen Tag später Bob Geldof bei strahlendem Sonnenschein Bill Gates als einen "großen Führer der Menschheit" auf der Bühne im Hyde-Park begrüßte. Ja, so sind sie, unsere komischen Heiligen dieser Tage, im Bund mit George W. Bush, Tony Blair und Bill Gates gegen das Elend der Welt. Da bleibt nur die Frage offen, wer angesichts der Mutter aller Popkonzerte das Wahrheitsministerium übernimmt. Mehr oder weniger richtige Prognosen bekommen auch einen Spezialpreis.

*** Aber komische Heilige, hach, da haben wir noch ganz andere Kaliber zu bieten -- denn bitte, so einfach ist das mit der Wahl von Miss Trauen: Wenn die Politiker das sagen, was sie nicht sagen wollten, um das zu klar und deutlich zu sagen, was sie wollen, ohne es sagen zu können, dann nennt man das "große Politik". Die letzte Ölung für das rotgrüne Projekt ist alles andere als revolutionär, selbst die angeblichen Linken in dem Regierungshaufen halten es mit Karl Valentin und seinem "Mögen täten wir schon wollen, doch dürfen haben wir uns nicht getraut." In unserer Branche ist in solchen Fällen schlicht von einem defekten Treiber die Rede, doch Klartext ist nicht Sache der Republik. Die preisgekrönte Edelentenproduktions-Website Spiegel Online hat mit dem Begriff "mangelnde Handlungsunfähigkeit" den Nagel auf den Kopf getroffen, doch in die falsche Wand gehämmert. Was hilft der schönste Preis mit den schicksten Kommentaren, wenn man einfach nicht verstehen will, dass es den Onlinejournalismus nicht gibt, sondern nur den ganz gewöhnlichen, tagein, tagaus berichtenden, der über Niederlagen wie über Pflänzchen der Hoffnung berichtet? Oder auch nicht.

*** Die Christiansenisierung dieser Gesellschaft hat begonnen, die selbstgerechten neuen Gut-Menschen öffnen mit dem Insolvenzverfahren der deutschen Sozialdemokratie die Traumhölle des Justemilieu, die einstmals Heinz Maus so trefflich schilderte. Wer jetzt schreibt "was soll das Gesülze", der drückt nach der neuen deutschen Logik wahrscheinlich ein großes Kompliment für diese kleine Wochenschau aus. Darauf kann ich nur mit einer besonders geschickt geenteten Haltung antworten, bescheiden versprochen, wie es neue deutsche Art ist.

*** Die Zeitung mit der Pfote hat auf die Deinstallation der Regierung mit einem Kurzabo-Angebot reagiert, das nach der Wahl um den Prozentsatz günstiger wird, den die Union (beim Schwarzabo) oder die SPD (beim Koalitionsabo) erreicht. Für die Vertreter aus dem Geiz-ist-Geil-Lager gibt es noch das Wunderabo, wenn Rot-Grün an der Regierung bleibt: Dann, ja dann scheint die Sonn' ohn Unterlass und die taz ist umsonst. Besteht hier vielleicht Verwechslungsgefahr mit den Roten? Aber nicht doch! Rot ist schließlich die Farbe der Arbeitsagentur, die noch dafür sorgen wird, dass die Linkspartei. wegen dieser wahnsinnigen Verwechslungsgefahr die Farbe wechselt. Rosa? Magenta? Aubergine? Eben diese absolut tödliche Verwechslungsgefahr, wenn man etwa zur PDS statt zur Arbeitsagentur geht, war auch im Fall der Arbeitslosenzeitung gegeben, die das alte Logo der Arbeitsagentur verwendet hatte und darum zu Zahlung einer sechsstelligen Summe verdonnert werden sollte, wenn nicht das Logo geändert wird. Nun also @lptraum -- bis die @rbeits@gentur auf die Idee kommt, einen R$$-Newsfeed für Nachrichten rund um die Albtraum-Software A2LL zu starten.

*** Es ist ein Kreuz mit der Software. Suns Edelblogger Jonathan Schwartz hat auf der JavaOne kräftig in die Fettnäpfchen gefasst, als er verkündete, dass der beste Preis einer Software, den jedermann versteht, der Preis der "freien Software" ist. Frei, definiert wie Freibier, provozierte natürlich die Gemüter, die bei freier Software an Freiheit denken. Denn die Sache mit der Freibier-Software ist nicht ohne. So bekommt IBM von Microsoft für 75 Millionen Dollar Freibier in Form von geschlossener Software und 775 Millionen freies Geld für die mit OS/2 erlittene Pein, das etwa in die Linux-Entwicklung gesteckt werden kann. Wer freie Software wie Sun definiert, wird wahrscheinlich ein Projekt wie Freenigma für ein Werk von Spinnern halten: Wieso ist die Freiheit bedroht, wenn nur eine US-Firma freie Verschlüsselungssoftware anbietet?

*** Definiert man kommerzielle Software als ein System, gutes Geld zu verdienen, dann hätte Microsoft seinen richtigen Geburtstag in dieser Woche feiern müssen. Doch Bill Gates hatte dazu keine Zeit. Es ehrt den Gründer von Microsoft, wenn er sich endlich sieht und seine enormen Geldmittel nicht darin investiert, auf einer Festplatte zusammen mit Ray Kurzweil zum Homo S@piens zu mutieren. Es ehrt ihn auch, dass er viel Geld in die medizinische Forschung steckt und mit Geld Seuchen in Afrika bekämpft. Doch darum ist er noch lange nicht "der große Führer der Menschheit", als der er von Bob Geldof gefeiert wurde. Das ist, mit Verlaub, großer Unsinn, der nur bei dem Treffen dieser Rentnerbands ungestraft ins Mikrofon gesprochen werden kann. Nein, diesem Spektakel -- gut gemeint ist nicht immer gut gemacht, möchte man angesichts mancher Ignoranz der Wohltätigen gegenüber den Verbrechen der Mächtigen in den unterstützten Ländern anmerken -- kann ich trotz der Bombastomanie um Pink Floyd nichts abgewinnen und feiere lieber mit Denis von Blondie den 60. Geburtstag der großen Sängerin Debbie Harry. Zusammen mit den Ramones und den Talking Heads kam sie in New York groß raus. Ihr erster Fan Andy Warhol brachte es für uns alle auf den Punkt: "Wenn ich mir jemals das Gesicht liften lasse, möchte ich wie Debbie aussehen."

*** TTFN: dieser Abschiedsgruß geht an den Bauchredner und Erfinder Paul Winchell, der in den USA als Stimme von Tieger die Abenteuer von Winnie-der-Puh begleitete. Winchell hielt einige Patente für ein künstliches Herz, die er der Universität von Utah schenkte, wo die Herztechnologie weiter entwickelt wurde. Als Maler entdeckte er Afrika, wo er mit einem Fischprojekt den Hunger bekämpfen wollte. Mit dem Brackwasser-barsch Tilapia sollte die Ernährung nachhaltig gesichert werden. Ta-ta for now.

Was wird.

Zum amerikanischen Unabhängigkeitstag wird viel geballert. Nicht nur auf der Erde. Deep Impact schießt auf den Kometen Tempel 1. Von der Masse her gesehen ist das ein Schüsschen, ein Mikroschüsschen, wie der Aufprall einer Mücke auf einem A380. Doch Amerika hat damit Grund zu feiern und zu hoffen: Vielleicht kam das Leben auf diesem gottverlassenen Planeten mit einem Kometen an. Leider findet das Spektakel dann statt, wenn bei uns hellster Tag ist, die Vögel zwitschern und der Heiseticker tickert, wenn einfach nichts Bemerkenswertes passieren will. Nichts Bemerkenswertes? Ein kleines Dorf leistet Widerstand gegen die Verachtung der Zeit, wenn in Halberstadt am Dienstag um 16:33 das h verklingt. In 640 Jahren werden Klatschmaschinen Jahrzehnte lang Beifall spenden.

Es wird, das ist hiermit fest versprochen, Sommer -- nicht nur in der norddeutschen Tiefebene. Man geht mit einem gepflegten Programm campen oder macht sich auf, biertrinkend um Loch Ness herumzuwandern. Man begibt sich an den Strand der Stadt, die der große Säufer Dylan Thomas als hässlichste Stadt der Welt feierte, zum blau bekleckerten Pinguin. Oder man begibt sich in die Stadt mit dem Strand unter dem Pflaster, wo die starken Wikinauten über den Kurs der freien Enzyklopädie in den nächsten 600 Jahren beratschlagen.
Wir daheim Bleibenden sind derweil mit dem Ungeheuer von Loch Sommer beschäftigt, das diese kleine Wochenschau ach gar schröcklich bedroht. Darum gibt es auch hier Veränderungen, nicht unbedingt für Miss Trauen und Mister Troll, doch für die weiterhin geneigten Leser, die knifflige Fragen zu schätzen wissen, bei denen Gott Google schlicht die Klappe hält: Das Hal-Faber-Sommerrätsel naht. Und Preise, da sind wir sparsam: Zu gewinnen gibt es nichts außer dem Ehrentitel "Erster" und einem Freiabo von "Was war. Was wird". Eine kleine Kostprobe gefällig, vorab zum Ausprobieren? Welche Firma wirbt auf nebenstehendem Bild (angeklickt erscheint eine etwas größere Variante) für welches Produkt? Ich melde mich im Forum, wenn die richtige Antwort gekommen ist.

Was wurde: Die Auflösung für die Sommerrätsel-Kostprobe.

"Eine Netzwerksoftware" von Oliver B. Warzecha oder "ein Netzwerkhersteller, eventuell Novell Netware" von Crystal waren ja schon verdammt nah dran. Nun, da ich die interessierten Leser, die sich mit lustigen Analysen und schrägen Lösungsvorschlägen auf diese kleine Kostprobe stürzten, am Sonntagabend nicht länger auf die Folter spannen möchte, folgt hier auch noch die Auflösung in der Wochenschau selbst.
Das Bild zum Rätsel zeigte tatsächlich nur einen Ausschnitt, das komplette Bild gibt es nun hier nebenstehend, ebenfalls wieder zum Anklicken für eine vergrößtere Version. Der Hinweis mancher Leser, im Ausschnitt sei eine Hand auf einer Maus und ein Gerät zu sehen, dessen Rippenstruktur an frühe Macs erinnere, wiesen schon in die richtige Richtung. Es handelt sich um ein Werbefoto von Apple für AppleShare PC. In dem Text, der zu dem Foto gehört, schrieb Apple: "Datenkommunikationsprodukte und leistungsstarke Netzwerke sorgen für eine problemlose Einbindung des Macintosh Computers in Multivendor-Betriebsumgebungen. AppleShare PC integriert MS-DOS kompatible Personal Computer in AppleTalk Netzwerke. Mit AppleShare PC können alle Informationen, die auf einem AppleShare FileServer gespeichert sind, gemeinsam genutzt und über den Apple LaserWriter oder ImageWriter ausgedruckt werden." (Hal Faber) / (jk)