BioP II: Biometrie-Panik beim Chaos Computer Club
Nach Ansicht des CCC droht Deutschland mit der EinfĂĽhrung des biometrisch geschĂĽtzten Passes ein Technologie-Desaster. NachdrĂĽcklich wird vor dem Einsatz offensichtlich untauglicher Biometriesysteme gewarnt.
Auch der Chaos Computer Club (CCC) hat die große Biometrie-Studie Bio PII ausgewertet, die den Einsatz von biometrischen Zugangskontrollen im Alltag untersucht. Die Ergebnisse der Studie bestärken den CCC in der schon früher geäußerten Kritik am Einsatz der Biometrie in Reisepässen: Nach Auswertung der Studie warnen die alternativen Datenexperten "nachdrücklich vor dem Einsatz der offensichtlich untauglichen Biometriesysteme", wie es in einer Presseerklärung heißt, die etwas Biometrie-Panik verbreitet: "Wenn diese Systeme tatsächlich flächendeckend in der Passkontrolle eingesetzt werden, stehen täglich zehntausende Menschen an den Flughäfen vor rot blinkenden Bildschirmen."
Dennoch verdient die Auswertung des CCC Beachtung, weil sie systematisch die verschiedenen kursierenden Varianten der Bio PII-Studie vergleicht und deutlich macht, wie das Ergebnis des groß angelegten Tests am Frankfurter Flughafen aufgehübscht wird. Neben den viel zu hohen False Rejection Rates (FRR) die die Systeme nach Ansicht des CCC nicht benutzbar machen, weist der Klub auf den beklagenswerten Umstand hin, dass die zur Bio PII-Studie gehörenden Ergebnisse der Überwindungstests der biometrischen Systeme unter Verschluss gehalten werden. Außerdem bemängelt der CCC die fehlende Akzeptanz für biometrische Kontrollen: "Auf Grund der hohen Falschrückweisungsraten und der nicht intuitiven Benutzerführung zeigten über die Hälfte der Testteilnehmer ihre mangelnde Akzeptanz der Systeme dadurch, dass sie nach der Registrierung kaum aktiv am Feldtest teilnahmen." Ein weiterer kritischer Punkt ist nach Ansicht des CCC die Frage, ob die Studie wirklich repräsentativ angelegt war. Sind die Beschäftigten am Frankfurter Flughafen wirklich ein passender Querschnitt der reisenden Bevölkerung hinsichtlich Alter und Geschlecht?
Neben den technischen Argumenten wagt sich der CCC auch an ökonomische Fragen. Er macht darauf aufmerksam, dass die Kosten für die Ausstattung der rund 6000 deutschen Einwohnermeldestellen und mehr als 400 Grenzübergangsstellen samt der notwendigen Schulung der Beamten überhaupt keine Berücksichtigung in der Studie und in den Planungen zum biometrischen Reisepass finden. Das Gegenargument, dass Kostenfragen nicht Bestandteil der Studie waren, wird vom CCC mit der Veröffentlichung von Antworten des Bundesinnenministeriums auf eine CCC-Anfrage entkräftet, die nahe legen, das die Einführung der neuen Technik eine billige Sache ist. So heißt es: "Die Lesegeräte an den 419 Grenzübergangsstellen werden im Rahmen von Ersatzbeschaffungen erneuert, die unabhängig von der Einführung des ePasses sind. Diese Geräte verfügen auch über eine Funktion zum Auslesen von digital gespeicherten Fotografien auf RF-Chips. Bei der Ausstattung mit Lesegeräten entstehen keine zusätzliche Kosten. Die Änderungen, die sich für die Passbehörden zum 1. November 2005 ergeben, sind gegenüber dem derzeitigen Verfahren minimal. Daher ist nur ein geringer Schulungsaufwand notwendig."
Dass bei Ersatzbeschaffungen der heute 1500 Euro teuren Lesegeräte für die maschinenlesbaren Daten die zusätzlichen Installationen von Kameras, Fingerabdruckgeräten und RFID-Scannern gleichauf kommen, ist eines der überraschenden Ergebnisse, die der CCC präsentieren kann. Sollte die benötigte Technik tatsächlich so billig sein, so müsste man das Fazit des CCC-Sprechers Andy Müller-Maguhn bezweifeln, der zur Auswertung seiner Fachleute erklärte: "Hier wird ein teures, unausgereiftes und unsicheres System eingeführt, das beste Chancen hat, zu einem weiteren Technologie-Desaster zu werden. Es ist offensichtlich, dass mit der Einführung des ePasses vor allem Industrieinteressen bedient und die angeschlagene Bundesdruckerei saniert werden sollen."
Als Defizit der Auswertung muss festgehalten werden, dass der CCC nicht zwischen der Biometrie und den ĂĽblichen Funktionen eines Passes differenziert: Selbst dann, wenn alle biometrischen Systeme bei der Erkennung eines Reisenden versagen oder wenn der RFID-Chip stumm bleibt, ist damit noch nicht gesagt, dass der Reisepass als Dokument ungĂĽltig ist. Vor rot blinkenden Bildschirmen muss niemand stehen bleiben. (Detlef Borchers) / (pmz)