Spekulationen über Mobilfunk-Billigtarife von Aldi und Lidl

Die Discount-Riesen streben Minutenpreise unter zehn Cent an und verhandeln mit allen Netzbetreibern, berichtet "Euro am Sonntag" und zweifelt daran, ob die Angebote ohne versteckte Zusatzkosten auskommen können.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 251 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Sven-Olaf Suhl

Die Einzelhandelsdiscounter Aldi und Lidl wollen jeweils mit eigenen Billigtarifen in den deutschen Mobilfunkmarkt einsteigen. Dies berichtet das Wirtschaftsmagazin "Euro am Sonntag" vorab unter Berufung auf nicht näher genannte Branchenkreise. Demnach streben die Discountketten Minutentarife unter der "magischen" Zehn-Cent-Marke an. "Aldi spricht derzeit mit allen Anbietern der Branche, um einen entsprechenden Tarif auf den Markt zu bringen", zitiert die Wirtschafszeitung den nicht genannten Vorstand eines Mobilfunkanbieters. Wie die Zeitung weiter meldet, plant auch Aldi-Konkurrent Lidl ein ähnliches Angebot.

Aldi wollte den Bericht auf Nachfrage von heise online nicht bestätigen, Lidl war am Freitag nachmittag nicht zu erreichen. Ob es den Discountern gelingen kann, mit einem "echten" 9,9-Cent-Tarif kostendeckend zu wirtschaften, scheint zumindest fraglich. Eine Möglichkeit wäre, zusätzlich zum Minutenpreis hohe Grundgebühren zu verlangen oder sonstige Zusatzkosten im Tarifwerk zu verstecken. Diese Variante wäre jedoch kundenfeindlich und erscheint wegen der damit verbundenen Imageschädigung unwahrscheinlich. Zudem haben die Discount-Riesen bereits in vielen anderen Produktsegmenten unter Beweis gestellt, dass sie dank ihrer "Einkaufsmacht" in der Lage sind, die Preise für Vorprodukte unter das bis dahin branchenübliche Niveau zu drücken.

Zum Beispiel zahlt der Mobilnetzbetreiber E-Plus rund 12 Cent (ohne Mehrwertsteuer) je Minute an seinen wesentlich größeren Wettbewerber Vodafone D2. Diesen Betrag nannte der Chef von E-Plus, Uwe Bergheim, anlässlich der Einführung der BASE-Flatrate Ende Juli. Die Höhe der Interconnection-Gebühren zwischen den Mobilnetzbetreibern sind laut Bergheim der Grund dafür, dass die BASE-Sprachflatrate auf Anrufe innerhalb des E-Plus-Netzes und zum Festnetz beschränkt ist. Bergheims Äußerung gehört zu den seltenen Fällen, in denen ein deutscher Mobilfunkanbieter einen konkreten Interconnection-Preis im Mobilfunk angibt. Diese Entgelte werden zwischen den Netzbetreibern und Wiederverkäufern jeweils individuell ausgehandelt. Sie zählen eigentlich mit zu den bestgehüteten Geheimnissen der Branche, da sie den Anbietern einen Einblick in die Kalkulation ihrer Wettbewerber ermöglichen. In der Schweiz hatte Marktführer Swisscom Mobile die Terminierungspreise für seine nationalen Wettbewerber im Juni auf nun circa 13 Cent deutlich gesenkt, um dem Mobilfunkmarkt zu stimulieren.

Der als "magische Zahl" gehandelte Endkundenpreis von 10 Cent je Minute entspricht einem Nettopreis von circa 8,6 Cent: Die Discounter müssten mithin deutlich günstigere Konditionen aushandeln als sie von E-Plus bekannt sind oder versuchen, mit einer Mischkalkulation Gewinne zu erwirtschaften: Käme es zu Kooperation zwischen einem Discounter und einem der beiden großen Netzbetreiber T-Mobile oder Vodafone D2, würden angesichts der Kundenverteilung unter den Netzbetreibern statistisch gesehen rund 40 Prozent der Anrufe zu Handys im Heimatnetz bleiben. Vorausgesetzt, dass Aldi und Co. genügend Kunden gewinnen, erscheint nach Informationen von heise online ein Endkundenpreis von 10 Cent je Minute für diese Gespräche als durchaus kostendeckend. Gleiches gilt für Gespräche vom Handy zum Festnetz. E-Plus bietet seit längerem Laufzeitverträge mit einem 3-Cent-Angebot für Anrufe zum Festnetz an.

Selbst wenn die Discounter bei Gesprächen zu fremden Mobilnetzen pro Minute einige Zehntel-Cent drauflegen müssten, bleiben ihnen zwei weitere Einnahmequellen, die im Mobilfunk bislang reichlich sprudelten: Zum einen halten sich etliche Billigangebote mit teils aberwitzigen Minutenpreisen für Auslandstelefonate ihrer Kunden schadlos. Zudem verdienen sie über die Gebühren hinaus, die der Handynutzer verursacht, auch an den Anrufen Dritter aus dem Festnetz kräftig mit. Diese "Terminierungsentgelte" wurden vom Regulierer in der Aufbauphase der GSM-Netze in den 90er-Jahren bewusst hoch angesetzt, um dem vielversprechenden Wirtschaftszweig eine Starthilfe zu geben. Inzwischen sind auf diese Weise Milliardenbeträge von den Festnetzbetreibern zu den Mobilfunkern geflossen. Die noch immer zwischen zwischen 13 und 15 Cent je Minute liegenden Terminierungsentgelte stoßen auf heftige Kritik einiger Festznetzanbieter. (ssu)