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Was war. Was wird.

Willkommen zu Deutschland 2.0. Der Sound der Zeit verscheucht alle Bedenkenträger, ist sich Hal Faber 2.0 sicher... ist sich Hal Faber 2.0 sicher ... ist sich Hal Faber 2.0 sich... ist sich Hal Faber 2.0 ... ist sich ... ist sich ...

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Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Guten Tag. Ich komme heute schnell zur Sache, wir haben ja nicht ewig Zeit hier. Mein Name ist Faber, Hal Faber 2.0. Vergessen Sie das Genörgel von dem Typ, der hier die letzten 294 Kolumnen geschrieben hat. Ab sofort ist dies eine Power-Kolumne für das erfolgreiche Bissness 2.0 im Web 2.0 mit Open Source 2.0 betrieben im Internet 2.0 mit Desktops 2.0. Ich könnte auf all diese Begriffe verlinken, denn sie sind in der frisch vergangenen Woche mehrfach gefallen, doch wir haben ja keine Zeit zu verlieren mit dem Bissness. Es ist Schluss mit lustig. Hal Faber 2.0 ist wie der neue Bond, umwerfend gut aussehend und unglaublich fit. Die Installation eines unerhört dynamischen, gewissermaßen mit XMLHttprequest fortlaufend aktualisierten Hal Faber wurde von der heise online-Redaktion nach eingehender Studie dieses Videos beschlossen, das zeigt, wie bei Microsoft der dynamische Typ 2.0 geformt wird. Das geht ruckzuck, wir haben ja keine Zeit. Eigentlich müsste es mit Erziehung 2.0 in frühester Kindheit einsetzen.

*** Hal Faber 2.0 setzt Akzente. Wenn im knallharten Geschäft 2.0 niemand Zeit verschwenden werden darf, um unter die Top 100 im Bissness zu kommen, muss alles weg, was Zeit kostet. Schluss ists mit langsamen Betriebssystemen, die eine Ewigkeit zum Booten brauchen. Hal Faber 2.0 setzt auf das von Joe Muczka Jr. (vulgo: 2.0) präferierte intelligente Zeta. Und gleich dazu das passende, zackig die Sache auf den Punkt zwischen 2 und 0 bringende PR-Statement: "Muczka's Bilder hängen beispielsweise auch bei Porsche-Chef Wiedeking oder den Zaubervirtuosen Siegfried und Roy", heißt es zur Bedeutung des impulsiven Künstlers, der wie kein zweiter Betriebssysteme porträtieren kann. Was bei Wiedeking hängt, installiere ich auf meiner Pladde.

*** Hal Faber 2.0 setzt nicht nur Akzente, sondern stellt sich blitzschnell hinter markige Düfte, die andere setzen. Jawoll, reden wir doch vom Vorrang für die Anständigen, das ist das richtige Motto, gegen die Abzocker und Parasiten. Auch hier zeitsparend kurz und knackig das Statement der Woche, die Clementia praecox:

"Biologen verwenden für 'Organismen, die zeitweise oder dauerhaft auf Kosten anderer Lebenwesen — ihren Wirten — leben' übereinstimmend die Bezeichnung 'Parasiten'. Natürlich ist es völlig unstatthaft, Begriffe aus dem Tierreich auf Menschen zu übertragen. Schließlich ist Sozialbetrug nicht durch die Natur bestimmt, sondern vom Willen des Einzelnen gesteuert."

Woraus geschlussfolgert werden kann, dass man wohl noch von Parasiten reden darf, was ja, wie die Ministeriumssprecherin Andrea Weinert versicherte, "volksmundig" ist und journalistische Sprache obendrein. In Sprache 2.0 sind Parasiten in, ist der Begriff Volksverhetzung einfach überflüssig. Und wenn das Bundesministerium schon die Biologie bemüht, dann hat es sicher seine Richtigkeit, wenn Parasiten in der Landwirtschaft zum Zuge kommen. An der frischen Luft kommt man nicht auf dumme Gedanken, sich etwa um eine bemerkenswerte Mitteilung des mit seinen Mietern leidenden Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen zu befassen, bei dem Juristen zu der Auffassung gekommen sind, dass Menschen menschenwürdig wohnen sollten, Heizung und Warmwasser inklusive. Sollte sich diese Auffassung von höheren Gerichten bestätigt werden, so dürfte der kommende Arbeits-Münister eine weitere Software-Änderung bei T-Systems bestellen können.

*** Auch wenn deutsche Gerichte strebend sich bemühen, so gibt es keinen Zweifel mehr, dass am Hackbrett Artensterben herrscht: In der Welt 2.0 sterben die Hacker aus, weil alles 2.0 wird, selbst Microsoft 2.0 von der Open-Source-Szene umarmt wird und nur bei den Hackern das Generations-Upgrade nicht funzt. Das beklagen die, die den Code anderer aufreißen wie die, die Code schreiben. Doch was führt zu einer Szene, in der es jede Menge Alterspräsidenten und eine schlecht funktionierende Hacker-Meritokratie gibt? Verblödet die ewige Suche nach Exploits und Buffer Overflows vielleicht die intelligentesten Menschen? Oder ist es wirklich, wie die Szene meint, der schizoide Alltag mit dem dauernden Gebrauch von Linux, während man eigentlich doch nur mit dem Hacken von Windows-Boxen Anerkennung finden kann? Wahrscheinlich ist die Sache viel einfacher. Eine Generation Handy, die SMS-Kürzel besser als Assembler beherrscht, hat einfach nicht mehr die Zeit, sich intensiv mit komplexen Sourcecodes zu beschäftigen. Die Hardware siegt über die Software und schon der grottige Unsinn, alles zur 2.0 zu deklarieren zeigt, dass nicht nur die Hacker ein Nachwuchsproblem haben.

*** Also doch, offensicht hat da jemand zu viel American Psycho geschmökert — und einen Kolumnisten nach Batemans Gusto, wer möchte den schon? Aber ach, das Bissness will's anders, behaupten die Protagonisten eines Lagers, das wohl mal New Economy 2.0 werden soll. Also, was soll's, mit Deutschland 2.0 sind wir Deutschland, bist Du Papst, sind wir eine Enzyklopädie, bist Du 86 Millionen, sind wir eine multiple Persönlichkeit. Was soll man von einem Land halten, dessen Einwohnern man eine Krankheit diagnostizieren muss, die es möglicherweise gar nicht gibt? Es kann sein, dass sich diese Frage heute viele Saarländer stellen: Warum nur haben wir vor 50 Jahren nur für die Rückkehr "ins Reich" gestimmt, wie der gestandene Saarbewohner Rest-Deutschland heute noch nennt? Melancholie macht sich breit, Deutschland 2.0 stürzt mit einem Bluescreen ab und wir ziehen uns zurück an den heimischen Herd, flüchten vor Hartz IV, großen Koalitionen, vor Amtsantritt bereits demontierten Superministern und endlich zum Ende kommenden Volkssängern in die treudeutsche Gemütlichkeit der Version 1.0. Wirklich? Dann doch lieber Bateman 2.0 mit Lemmy und seinen 30. Geburtstag feiernden Geschwindigkeitssüchtigen als Sound zum Reboot.

Was wird.

Nicht nur Hal Faber 2.0 kann kurz und schmerzlos seine Geburt feiern. Am nächsten Donnerstag freut sich ein echtes Glückskind darüber, den Scheitelpunkt des Menschenlebens erklommen zu haben, die 50, an der man gerne innehält und darüber nachsinnt, was alles schon Geschichte geworden ist, seitdem man den Hobbyisten einen offenen Brief schrieb. Sehen wir einmal Gates nicht mit den Augen des Wikipedia-Häuptlings, der verärgert über E-Mail Foren befüllt, betrachten wir ihn einmal nicht als Microsoft-Zar, der seiner Konkurrenz keine Träne nachweint, sondern einfach als His Billness, als Mensch, als Troll, als Fan, der volle zwei Tage fast nichts verdient und einer blonden Kanadierin nachtrauert, die aus einer Fernsehserie verschwunden ist. Hier und heute stellt sich natürlich die Frage, ob es auch einen Bill Gates 2.0 geben kann. Einen altersweisen Menschen, der versteht, dass OpenDocument-Formate der Ersten Welt genauso helfen können, wie Medizin und Impfstoffe in der Dritten. Ted Hoff hat übrigens auch an diesem Tag Geburtstag. Doch was ist die Erfindung des Mikroprozessors gegen die Erfindung von Microsoft? Eben.

Ein Datum habe ich noch, auch wenn es nur ein etwas Krummes ist: Heute vor 18 Jahren lehnte der Senat der USA mit 58 zu 42 Stimmen die Berufung von Robert H. Bork zum Richter am Obersten Gerichtshof ab. Bork, der als Verb "to bork" in die amerikanische Sprache eingehen soll, hängt einer Rechtsauffassung an, die die Privatsphäre ablehnt. Die Auseinandersetzung um seiner Berufung an das höchste US-Gericht führte dialektisch korrekt zum Video Privacy Protection Act. Womit ich besonders elegant und schnell bei der Verleihung der fünften deutschen Big Brother Awards angelangt bin, mit denen die Systems-Woche endet. Wo? In Bielefeld 2.0 natürlich.

Aber was sind schon Große Brüder, Bill Gates 2.0 oder gar Deutschland 2.0 gegen die wahren Helden? Eigentlich gibt es ja heute ganz andere Jubiläen zu feiern, tauchte doch der Nick des guten Geistes aller Forenposter und Schrecken aller Trolle und Foren-Batemans vor genau fünf Jahren zum ersten Mal auf. Das nenne ich mal einen Geburtstag, und reiche aus diesem Anlass Glückwünsche in bildlicher Form weiter, courtesy of MangOr (und einiger anderer Ideenlieferanten aus den Heise-Foren). Und ja: Einmal klicken wäre sinnvoll, nicht für einen Komik 2.0, aber doch für eine anschaulichere Darstellung. (Hal Faber) / (jk)