Reform der EU-Fernsehrichtlinie weiter heftig umstritten
Medienpolitiker und Vertreter der IT-Wirtschaft forderten auf einer Anhörung im Bundestag, neue Online-Mediendienste nicht der strengen TV-Regulierung zu unterwerfen. Die öffentlich-rechtlichen Sender sehen dies anders.
Medienpolitiker und Vertreter der IT-Wirtschaft forderten auf einer Anhörung am gestrigen Mittwoch im Kultur- und Medienausschuss des Bundestags, neue audiovisuelle Online-Mediendienste nicht der strengen TV-Regulierung zu unterwerfen. Sie stemmten sich damit gegen den umstrittenen Entwurf der EU-Kommission zur Reform der Fernsehrichtlinie. "Eine Ausweitung der Fernsehrichtlinie auf die Neuen Medien, die im Richtlinienentwurf als non-lineare Dienste erfasst werden, ist aus unserer Sicht unnötig", erklärte der FDP-Vorsitzende des Ausschusses, Hans-Joachim Otto, gemeinsam mit dem medienpolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Christoph Waitz, im Umfeld des Expertengesprächs. Online-Medien würden bereits dem Anwendungsbereich der E-Commerce-Richtlinie unterliegen und seien somit ausreichend geregelt. Auch neue staatliche Aufsichtsstrukturen für die Überwachung von Inhalten im Internet halten die Liberalen für unangebracht. Die momentan praktizierten Formen weitgehender Selbstkontrolle würden "erfahrungsgemäß schneller und effektiver agieren als staatliche Regulierungsbehörden".
Scharfe Kritik an den Plänen der Kommission kam erneut vom Branchenverband Bitkom: Laut dessen Geschäftsführer Bernhard Rohleder ist der Entwurf von seinem Ziel, die europäische Medienindustrie voranzubringen, noch "meilenweit entfernt". Die geplante Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Fernsehrichtlinie und die Übertragung von Regeln etwa für Werbung, Jugendschutz und kulturelle Vielfalt auf Internetangebote mit bewegten Bildern sei "nicht durchdacht und gefährdet einen sich gerade erst entwickelnden Markt". Jegliche "Doppelregulierung" sollte für einen Gesetzgeber zudem "tabu" sein, ermahnt der Lobbyist die EU-Parlamentarier, die sich in Fachausschüssen demnächst mit dem Vorschlag der Kommission auseinanderzusetzen haben.
ARD und ZDF sehen die Pläne aus Brüssel weniger skeptisch: Durch die vorgesehene Ausweitung des Anwendungsbereiches werde unterstrichen, dass auch den neuen audiovisuellen Mediendiensten "eine besondere Bedeutung für die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse einer Gesellschaft" zukomme, heißt es in einer heise online vorliegenden Stellungnahme der öffentlich-rechtlichen Sender. "Es ist daher wichtig, dass auch diese Dienste einer sektorspezifischen Regelung auf Gemeinschaftsebene zugeführt werden und nicht allein den Regelungen betreffend der Informationsgesellschaft oder gar den horizontal angelegten allgemeinen Bestimmungen des Binnenmarktes überantwortet werden." Hinzu komme, "dass auch für die neuen audiovisuellen Mediendienste jedenfalls Mindeststandards hinsichtlich Jugendschutz und Schutz der Menschenwürde gewährleistet sein müssen". Eine Doppelregulierung sei nicht zu befürchten, da die E-Commerce-Richtlinie keine Aussagen über Inhalte mache.
Weiterer großer Streitpunkt ist die von der Kommission vorgesehene Freigabe von Product Placement, solange auf die Einbindung von Werbepartnern zunächst hingewiesen wird. Mit diesem Vorstoß zeigt sich der Bitkom "zufrieden". Er komme den Zuschauern entgegen und sei "nutzerfreundlich", weil die Produktplatzierung nicht wie ein Werbeblock das Programm unterbreche und den Sehfluss störe. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) warnt dagegen vor einer Vermischung von Information und Unterhaltung. Auch der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd Neumann, betonte jüngst, die Trennung von Werbung und Programm aufrechterhalten zu wollen. Dies sei eine Frage der Glaubwürdigkeit der Medien, die Programmgestaltung solle allein an redaktionellen Kriterien orientiert sein. Die strikte Einhaltung dieses Prinzips sei ein entschiedenes Anliegen von Schwarz-Rot.
Der Verschmelzung von Werbung und Programm durch gezieltes Product Placement erteilen ARD und ZDF ebenfalls eine klare Absage. Das Zapping zwischen Sendern führe zwangsläufig dazu, dass die Zuschauer Hinweise auf die neuen Werbeformen nicht wahrnähmen. Allerdings pochte die designierte ARD-Generaldirektorin Verena Wiedemann vor kurzem darauf, das Werbeverbot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nach 20 Uhr zu im Zuge der Richtlinienreform zu überdenken. Andernfalls sei ein Verschieben der Machtverhältnisse insbesondere bei Sportveranstaltungen zugunsten der Privaten nicht ausschließen. Ursache sei, dass der Entwurf andere, den nicht-öffentlich-rechtlichen Sendern entgegen kommende Werbeformen wie etwa Einzelspots vorsieht, die bisher weitgehend verboten sind.
Zu den Diskussionen um die neue Fernsehrichtlinie der EU siehe auch:
- Britische Firmen gegen EU-Pläne zur Kontrolle neuer Medien
- IT-Verband sieht Zukunft der Medienindustrie durch Brüssel gefährdet
- Medienpolitiker drängen auf Nachbesserungen bei der Providerhaftung
- GrĂĽne wollen Netz-TV nicht wie klassisches Fernsehen reguliert wissen
- Mehr Transparenz und Offenheit fĂĽr Ko-Regulierung von Medien gefordert
- EU: Fernsehen wird zum Mediendienst
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(Stefan Krempl) / (jk)