FuĂźball-WM: Internationale Informationsverdichter nehmen Arbeit auf

"In Zusammenarbeit mit internationalen Kollegen haben wir einen personenbezogenen Datenbestand, der deutlich über eine normale Datenbank hinaus geht", hieß es bei der Zentralen Informationsstelle Sport zum Ausbau der Polizei-Datenbank "Gewalttäter Sport".

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Von
  • Detlef Borchers

Die Informationsverdichter bei der Zentralen Informationsstelle Sport (ZIS) bei der Arbeit [Klicken für vergrößerte Ansicht]

Die Fußball-WM kommt auf Touren: Seit heute kreisen die AWACS-Aufklärer über der Bundesrepublik, in der das BKA mit seinem LIZ, die Bundespolizei und die Hooligan-Spezialisten vom ZIS zeitgleich zu ihren Pressekonferenzen eingeladen haben. Wenige Tage vor Beginn der Fußball-WM sind wie die Kriminalisten beim LIZ auch die internationalen Verbindungsbeamten in Neuss bei der Zentralen Informationsstelle Sport (ZIS) eingetroffen und nehmen ihre Arbeit auf. Im ZIS, das NRW-Innenminister Ingo Wolf als "Informationsherzstück der WM-Sicherheit" bezeichnete, arbeiten Polizeibeamte rund um die Uhr im Mehrschichtbetrieb und erstellen zweimal täglich ein Lagebild zur WM-Sicherheit. Eigens für die WM ist das ZIS in die große Aula des Instituts für Aus- und Fortbildung der Polizei nach Neuss umgezogen. In mehreren Reihen sitzen die Informationssammler, die Informationsverdichter und schließlich die 8 Beamten vor ihren Rechnern, die die Informationen zu einem Lagebild zusammenstellen. Diese Lageberichte gehen an das zentrale NICC in Berlin, an das BKA und an die Einsatzkräfte vor Ort.

In den umliegenden Nachbarräumen sitzen die 34 internationalen Verbindungsbeamten in Grüppchen an ihren Computern. Sie sind szenekundig, helfen bei Sprachproblemen und halten den Kontakt zu ihren Kollegen vor Ort, die die jeweiligen Fan-Gruppen beobachten. Insgesamt sind 500 ausländische Polizisten bei der WM dabei, 323 von ihnen zeigen sich in voller Uniform auf der Straße. Das größte Kontingent stellt Polen mit 61 Polizisten. Alle Beamten wurden gestern von Bundesinnenminster Wolfgang Schäuble in Berlin mit dem Fußball-Klassiker "You never walk alone!" begrüßt. Das ist in diesem Fall wörtlich gemeint, weil die Polizeigäste von deutscher Polizei begleitet werden. Die ausländischen Beamten dürfen Personen kontrollieren, Platzverweise aussprechen und Straftäter in Gewahrsam nehmen, die Schusswaffe aber nur zur Eigensicherung verwenden.

Im ZIS arbeiten Polizeibeamte rund um die Uhr im Mehrschichtbetrieb und erstellen zweimal täglich ein Lagebild zur WM-Sicherheit. [Klicken für vergrößerte Ansicht]

Außerhalb der WM ist das 1993 gegründete ZIS dafür zuständig, bei den Fußballspielen der höheren Ligen, aber auch bei Großveranstaltungen anderer Sportarten das Verhalten der Fans einzuschätzen. Zu diesem Zweck unterhält man die Datei "Gewalttäter Sport", die zur WM erheblich erweitert wurde. "In Zusammenarbeit mit unseren internationalen Kollegen haben wir einen personenbezogenen Datenbestand, der deutlich über eine normale Datenbank hinaus geht", erklärte ZIS-Leiter Michael Endler zur Vorstellung der Verbindungsbeamten. Nach Darstellung von Endler verläuft die internationale Zusammenarbeit hervorragend, ist der Informationsfluss prächtig. Damit vertritt das ZIS eine andere Einschätzung als das Bundesinnenministerium. Das hatte in seinem neuesten WM-Fortschrittsbericht bemängelt, dass es in Bezug auf ausländische Fangruppen bei etlichen Ländern an Informationen mangeln würde und dass es damit an Verbindlichkeit und Planungssicherheit fehle. Endler bemängelte die sensationalistische Berichterstattung in den Medien: "Nicht alles deckt sich mit den uns zur Verfügung stehenden Informationen. Alle 48 Vorrundenspiele sind als gefahrlos eingestuft worden."

NRW-Innenminister Ingo Wolf erklärte die Hooligans in seinem Amtsbereich für ausreichend gewarnt. 1937 "Rädelsführer" habe man zu Hause oder auf dem Arbeitsplatz aufgesucht und ermahnt. 198 Personen, die bei dieser "Gefährderansprache" keine Einsicht zeigten, müssen sich während der WM regelmäßig auf ihrer örtlichen Polizeiwache melden. Weiteren 295 in NRW lebenden Personen mit Stadionverbot sei der Aufenthalt an bestimmten Orten, vor allem den Plätzen mit Public-Viewing-Veranstaltungen untersagt worden. Sollten sie in derartigen Bereichen auftauchen, so werden sie in Polizeigewahrsam genommen. Zum Public Viewing erklärte der Minister, dass man verstärkt Leibesvisitationen durchführen werde, damit niemand ein Messer auf derartige Veranstaltungen einschmuggeln könne. Damit ziehe man die Konsequenzen aus dem Amoklauf eines Berliner Messerstechers.

Sind die bekannten Gewalttäter unter Kontrolle, so kann sich die Polizei verstärkt den verdächtig unscheinbar wirkenden Fans widmen. Im Vorfeld der WM wurde auch in Neuss das Urteil des Verwaltungsgerichtes des Saarlandes begrüßt, nach dem sich Stadionbesucher von der Polizei ohne Angabe von Gründen dazu gezwungen werden können, sich nackt auszuziehen. "Es ist eine von vielen Sicherheitsmaßnahmen, mehr nicht", erklärte ein ranghoher Beamter gegenüber heise online.

Zur Sicherheit, Technik und zum Datenschutz bei der FuĂźball-WM 2006 siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)