Britische Parlamentsgruppe warnt vor zu striktem Kopierschutzregime
Die All Party Parliamentary Internet Group hat einen Report veröffentlicht, der sich gegen eine gesetzliche Verpflichtung zum DRM-Einsatz ausspricht und gerade für Bibliotheken und die Wissenschaft mehr Kopierfreiheiten fordert.
Die britische All Party Parliamentary Internet Group hat einen Report veröffentlicht, der sich gegen eine gesetzliche Verpflichtung zum Einsatz von Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) ausspricht. Die Parlamentarier fordern gerade für Bibliotheken und die Wissenschaft mehr Kopierfreiheiten. In dem 32-seitigen Bericht (PDF-Datei) betrachtet die Arbeitsgruppe des Ober- und Unterhauses, die ähnlich wie der Unterausschuss Neue Medien des Bundestags ein Forum für die Debatte mit Vertretern von Wirtschaft und Gesellschaft rund um Fragen der Informations- und Telekommunikationstechnologie bieten will, DRM als zweischneidiges Schwert.
Einerseits könnten die umstrittenen Kopierschutztechniken Verbrauchern durch die Ermöglichung neuer Geschäftsmodelle Vorteile bringen, wenn aktuelle Filme etwa rascher auch im digitalen Heim zu genießen sind, heißt es in dem Report. Andererseits ermögliche die Kontrolltechnik aber auch tiefe Einschnitte in die Nutzerrechte, wenn die Käufer digitaler Inhalte diese etwa nicht einmal auf verschiedenen Geräten oder in unterschiedlichen Formaten abspielen könnten. Der Report basiert auf einer im vergangenen Jahr gestarteten Konsultation, an der sich neben Lobbyverbänden wie der Business Software Allliance (BSA) oder Verbraucherschutzvereinigungen auch Firmen wie AOL, EMI, Intel oder Yahoo sowie die BBC beteiligten.
Die Parlamentsgruppe warnt konkret davor, dass für Verbraucher aktuell noch mögliche "Selbsthilfemaßnahmen" zum Umgehen von DRM-Systemen in teilweise rechtlichen Grauzonen bald passé sein könnten. "Es ist damit zu rechnen, dass technische Kopierschutzmaßnahmen mehr und mehr auf speziellen Hardwarefunktionen beruhen und dass manche Systeme nur noch extrem schwer ausgehebelt werden können", schreiben die Parlamentarier in dem Bericht. Die rechtliche Sanktionierung von DRM-Techniken in Form von Umgehungsverboten, wie sie etwa der Gesetzgeber hierzulande im Rahmen der ersten Stufe der Urheberrechtsnovelle eingeführt hat, könne rasch "völlig irrelevant" werden. Man könne gleichzeitig auch nicht davon ausgehen, dass die "schweren Probleme", die von technischen Kopierschutzmaßnahmen ausgelöst werden, sich durch ein einfaches "Aushebeln des Systems" adressieren lassen würden.
Um die negativen Folgen für die Nutzer gering zu halten, hält der Report eine Reihe von Empfehlungen bereit. Demnach soll die britische Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde, das Office of Fair Trading (OFT), Regelungen zur angemessenen Kennzeichnung von Produkten mit DRM aufstellen. Den Konsumenten müsse damit "glasklar" vor Augen treten, was sie mit den erstandenen digitalen Werken tun dürfen und was die Technik verhindert. Die Regulierungsbehörde Ofcom soll überdies Firmen, die DRM mit sensitiven Funktionen wie dem Rootkit von Sony BMG einsetzen, deutlich vor möglichen Strafverfolgungsmaßnahmen warnen. Da DRM-Systeme etwa mit dem Potenzial zum Wegschließen von Inhalten auch Wettbewerbsprobleme mit sich brächten, müssten diese ferner vom Wirtschaftsministerium sowie "auf europäischer Ebene" aufgegriffen werden.
Darüber hinaus fordert der Ausschuss die Regierung auf, "viel weiter reichende Ausnahmen" zum Umgehen von Kopierschutztechniken für den Wissenschaftsbereich als in der bisherigen britischen Copyright-Gesetzgebung einzuführen. Auf die Einfügung einer entsprechenden Klausel in den Bericht hatten vor allem Bibliotheken gedrängt. "Digitale Materialien kommen generell mit einem Vertrag", erklärte die Chefin der British Library Lynne Brindley im Rahmen der Veröffentlichung des DRM-Reports. Diese rechtlichen Vereinbarungen seien aber fast immer restriktiver als das bestehende Urheberrechtsgesetz. Sie würden häufig mit Hilfe der Rechtekontrolltechnik etwa das Kopieren, Archivieren und die Zugangsmöglichkeiten für Sehbehinderte verhindern.
"Wir brauchen eine Klarstellung, dass Verträge die gesetzlich verbrieften Nutzerrechte nicht ersetzen", fordert Brindley. "Wir schlittern bereits in eine Situation, die aus meiner Perspektive inakzeptabel ist." Die Balance zwischen Verwerter- und Nutzerrechten im Copyright, die erst eine tragfähige Basis für Kreativität, Innovation und wirtschaftliche Entwicklung mit sich bringe, müsse neu austariert werden.
Unterstützung haben die Bibliotheken auch von einer Studie des britischen Institute for Public Policy Research (ippr) erhalten. Der Eingabe (PDF-Datei) der Denkfabrik zufolge bedarf die Gesetzgebung rund ums geistige Eigentum "mehr Flexibilität", damit die öffentlichen Informationsversorger ihre Aufgaben in der digitalen Welt noch erfüllen können. Angesichts des "technologischen Determinismus", den viele DRM-Systeme mit sich bringen würden, "brauchen wir ein klares Konzept, wie, wann und wo der demokratischen Gesellschaft ein freier und einfacher Zugang zu Informationen eingeräumt werden soll." Dahinter müssten rein ökonomische Überlegungen im Zweifelsfall zurückstehen.
Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den GesetzesentwĂĽrfen und -texten):
(Stefan Krempl) / (jk)