Neuer Streit um DRM-Interoperabilität im französischen Urheberrecht
Abgeordnete der französischen Regierungspartei fordern eine zweite Lesung der Novelle zum Urheberrecht, da sich die Versionen von Senat und vom Parlament zu stark unterschieden, etwa in den DRM-Interoperabilitätsklauseln und den Strafen für P2P-Nutzer.
Zwei Abgeordnete der französischen Regierungspartei haben offiziell eine zweite Lesung des umstrittenen französischen Urheberrechtsgesetzes (Loi Relative au Droit d'Auteur et Aux Droits Voisins dans la Societé de l'Information, DADVSI) gefordert. Die Unterschiede zwischen der vom französischen Parlament abgestimmten Variante und der vom Senat verabschiedeten Version seien zu groß, um auf diese zweite Lesung zu verzichten, meinen die UMP-Abgeordneten Richard Cazenave und Bernard Carayon. Nachdem auch der Fraktionschef der liberalen UDF, Hervé Morin, eine solche zweite Lesung gefordert hat, könnte die Debatte um das Gesetz, mit dem die Europäische Copyright-Direktive umgesetzt werden soll, erneut beginnen.
Cazanave und Carayon listen die wesentlichen Unterschiede beider Entwürfe auf; das Parlament habe etwa Interoperabilität bei den Systemen zum Digital Rights Management (DRM) zu einem Anspruch für die Nutzer gemacht. Der Senat dagegen degradierte die für Unternehmen wie Apple unangenehme Interoperabilitätsklausel zu einer Möglichkeit, die vertraglich vorgesehen werden könne, und beschloss gleichzeitig die Schaffung einer Kommission, die über technische Maßnahmen wachen sollte. Nachdem aber nicht nur das französische Parlament, sondern auch andere Länder wie Dänemark, Großbritannien, Schweden und Norwegen dem französischen Beispiel gefolgt seien, sei die drastische Änderung durch den Senat nicht akzeptabel. Zudem habe das Parlament zugunsten der Interoperabilitätsklausel auf die Einführung einer Kulturflatrate verzichtet. Die Abgeordneten sahen die eigene Kompromissbereitschaft vom Senat wohl ziemlich ausgenutzt.
Außerdem stören sich Cazanave und Carayon an den vom Senat vorgesehenen erheblichen Sanktionen gegen Nutzer, die ohne Erlaubnis der Rechteinhaber Material aus dem Netz herunterladen. Der Senat habe diese verschärft. Schließlich führe der Senat mit seiner Version auch noch ein Filtersystem für das Netz zur Verfolgung von Urheberrechtsverstößen ein, von dem niemand wisse, wie es finanziert werden solle und wie Referenzen zu ausländischen Werken darin berücksichtigt werden sollten. Die Balance zwischen den Rechten des Autors und denen des Verbrauchers sei dahin, meinen die beiden Abgeordneten.
Kritiker des DADVSI-Entwurfs schöpfen nun neue Hoffnung auf Nachbesserungen zu Gunsten der Verbraucher. Diese drohten in dem vom Kulturministerium angestrebten beschleunigten Verfahren durch einen Vermittlungsprozess innerhalb des paritätisch besetzten Vermittlungsausschusses unterzugehen. Zwar hatte das Kulturministerium ursprünglich eine zweite Lesung für den Fall zugesagt, wenn Senats- und Parlamentsentwurf zu stark divergieren. Bis heute fürchteten französische Kritiker allerdings den Durchmarsch der Regierung. Anfang der Woche meldete die Bürgerinitiative EUCD.info, das Ministerium wolle in einer für Mittwochabend anberaumten Sitzung mit UMP-Vertretern für Geschlossenheit werben, um den Entwurf dann durch den Vermittlungsausschuss zu bringen.
Diese Strategie geht nicht mehr ganz auf, nachdem Cazanave und Carayon abtrünnig geworden sind. Bei EUCD.info will man nun die Mobilisierungsanstrengungen gegen den aktuellen Entwurf noch einmal verstärken. Ende vergangener Woche hatte eine Abordnung von EUCD.Info gemeinsam mit FSF-Guru Richard Stallmann versucht, dem französischen Premier eine Unterschriftenliste mit 165.000 individuellen Unterschriften gegen den aktuellen DADVSI-Entwurf zu übergeben. Doch die Protestler wurden nicht zu de Villepin durchgelassen.
Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):
(Monika Ermert) / (jk)