Britische Regierung sucht ganz neue Waffen gegen organisierte Kriminalität
In einem Diskussionspapier schlägt das Innenministerium unter anderem "vorbeugende Verbote" für verurteilte Straftäter, aber auch für Verdächtige vor. Dadurch könnten sie beispielsweise davon abgehalten werden, bestimmte Kommunikationsmittel zu benutzen.
Das britische Innenministerium erwägt, nach dem Vorbild der Bannmeilen für Fußball-Hooligans Mitgliedern des "organisisierten Verbrechens" bestimmte Handlungen oder Aufenthaltsorte zur Straftatvorbeugung zu verbieten. In einem "Green Paper", einem nun veröffentlichten Diskussionspapier mit dem Titel New Powers Against Organised and Financial Crime, wird als Beispiel der Fall eines Betrügers geschildet, der möglichst viele Adressaten mit wertlosen Lockangeboten anschreibt, um durch deren Antworten geprüfte Adressen für weitere Betrugsversuche zu erhalten. Diesem könnten durch eine "Serious Crime Prevention Order" alle Aktivitäten untersagt werden, bei denen das Verschicken großer Mengen von Briefen oder E-Mails nötig ist. Solche Anordnungen könnten nach den Vorstellungen des Ministeriums auch an Institutionen ergehen.
Als heikel dürften Bürgerrechtlern einen Passus beurteilen, nach dem diese Anordnungen in Fällen verhängt werden sollen, in denen "schwergewichtige Beweise" für kriminelle Aktivitäten vorliegen, die aber nicht für eine Strafverfolgung ausreichen. Auch könnten die vorbeugenden Anordnungen verhängt werden, wenn ein Strafverfahren geplant sei, um in der Zwischenzeit weiteren Schaden zu vermeiden. Nach den Vorgängen um die geplante ID Card, den jüngsten Vorschlägen zur Überwachung von Sexualstraftätern, dem Start des Aufbaus einer Datenbank für Verkehrsbewegungen und anderer Aktivitäten, die relevant für den Datenschutz und Bürgerrechte sind, dürften die britischen Aktivisten ausreichend sensibilisiert sein.
Ende März 2004 hatte die britische Regierung als Strategiepapier für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen das Weißbuch One Step Ahead A 21st Century Strategy To Defeat Organised Criminals vorgelegt, danach wurde der Serious Organised Crime and Police Act 2005 verabschiedet. Als eine Folge davon wurde Anfang April 2006 die Serious Organised Crime Agency eingerichtet. Ziel ist es, die unterschiedlichen Behörden und Institutionen, die sich an dem Kampf gegen das organisierte Verbrechen beteiligen, zu koordinieren und Informationen zusammenzutragen.
Alle diese bisherigen Schritte bezeichnet das Innenministerium als "notwendig, aber nicht ausreichend". Als weitere Maßnahmen schlägt es vor, die potenziellen Opfer sich besser selbst schützen zu helfen und die Nachfrage nach illegalen Produkten zu dämpfen. Die Sammlung von Informationen aus verdeckten, taktischen Operationen gegen Mitglieder des organisierten Verbrechens habe dazu geführt, dass in einer Datenbank über 1000 Verdächtige erfasst wurden. Diese Arbeit müsse optimiert werden, bisher gebe es noch zu viele Hürden für den Datenaustausch. Neben Verbesserungen in Strafverfahren regt das Ministerium effektivere Strafen, eine bessere Einreisekontrolle und ein "Lifetime Management" für verurteilte Straftäter an.
Die Erteilung von "Serious Crime Prevention Orders" sei eine Strategie, die über traditionelle Strafverfolgung hinausgeht, heißt es in dem Green Paper. Diese gerichtlichen Anordnungen sollen eine weite Spannbreite von potenziellen Verboten umfassen und dafür sorgen, dass bekannte Straftäter schwierige Bedingungen für weitere Verbrechen vorfinden, zum Beispiel dadurch, dass sie bestimmte Kommunikationsmittel nicht nutzen dürfen oder nur für bestimmte Verbindungen. Der Betroffene könne durch Anordnungen dazu veranlasst werden, eine andere Arbeit anzunehmen oder sich für Untersuchungen durch Gesetzeshüter bereit zu halten. Unternehmen wiederum könnten dazu veranlasst werden, beispielsweise ihr Geschäftsfeld zu wechseln oder ihr Unternehmen umzustrukturieren. (anw)