Der Krieg im Libanon und die technische Infrastruktur

Tarek El Zein, einer der beiden Autoren des Blogs "Beirut Live", berichtet heise online über verbliebene Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten im Libanon und schildert die Angst der Libanesen vor den kommenden Tagen.

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Der Kriegszug Israels gegen die Hisbollah im Libanon hat bereits hunderte Zivilisten das Leben gekostet. Über 150.000 der etwa 4,5 Millionen Einwohner konnten auf dem Landweg nach Syrien flüchten. Über 50.000 wurden auf dem Seeweg evakuiert, darunter viele Ausländer und Doppelstaatsbürger. Dazu kommen nach einer UNO-Schätzung 700.000 Flüchtlinge im Inland. Krankenhäuser, Kraftwerke, Wasseraufbereitungsanlagen, Tanklager, Flughäfen, Häfen, alle zivilen und militärischen Radaranlagen, 55 Brücken, 38 wichtige Straßen, eine Molkerei, zwei Papierfabriken, ein Arzneimitteltransport, ein Transmed-Lager – dies ist ein Auszug aus der Liste der Zerstörung im Blog Beirut Live. Telekommunikationseinrichtungen sind bisher relativ gut erhalten. Fernsehsender und wichtige Mobilfunkverteiler wurden zwar getroffen, doch Festnetz und Internet funktionieren. Bislang. Tarek El Zein, einer der beiden Autoren von Beirut Live, schilderte heise online die Angst der Libanesen vor den kommenden Tagen.

"Die Marines sind in der Stadt, sie holen Ausländer und Doppelstaatsbürger raus, die evakuiert werden möchten. Wir sehen die Schiffe und Helikopter kommen und gehen", berichtete El Zein, von Beruf Analyst bei einem Marktforschungsunternehmen. "Am Dienstag werden die Marines fertig sein. Wir alle fürchten, dass die Bombardements danach wesentlich intensiver werden." Bombenalarm gibt es in Beirut nicht, denn obwohl die libanesische Armee weder Luftwaffe noch Luftabwehr hat, wurden alle Radaranlagen zerstört. Da es auch keine Bunker gibt, sitzen die Menschen vor ihren Fernsehern und sehen die vielleicht brutalste Art Reality-TV überhaupt: Auf den Süden der Stadt gerichtete Fernsehkameras.

Die Bombeneinschläge sind etwa zwei bis drei Sekunden früher auf dem Bildschirm, als sie im Zentrum der Stadt zu hören sind. Diese minimale Vorwarnung mildert jeden neuen Schock wenigstens ein bisschen. Als nach den Fernsehantennen der Hisbollah aber am Samstag auch Anlagen des christlichen, beliebtesten Programms LBC aus der Luft demoliert wurden, waren Verwunderung und Ärger groß: "LBC hat absolut nichts mit der Hisbollah zu tun", betont El Zein. In Beirut ging LBC Sonntagabend wieder auf Sendung, im Norden des Landes war das Programm aber weiterhin nur via Satellit zu empfangen.

Mobilfunkverbindungen sind verfügbar und stabil, solange man nicht in einem anderen Landesteil anrufen möchte. Insbesondere die Verbindung von Beirut in nördlichere Landesteile ist gestört, seit wichtige Mobilfunkknoten bombardiert wurden. Internationale Telefonate sind möglich, wenngleich derzeit nur wenige internationale Carrier brauchbare Verbindungen in den Libanon anbieten.

Im Süden des Landes gibt es keinen Strom mehr; in der Hauptstadt Beirut ist die Versorgung zwar schwankend, aber etwa vier von fünf Häusern sind mit eigenen Generatoren ausgestattet. In anderen Landesteilen könnte die Stromversorgung aber bald ausfallen, da zahlreiche Mineralöltanks zerstört wurden. Die Vorräte an Lebensmitteln, Wasser und Benzin dürften für ein gutes Monat reichen – viele Lager sind voll, nachdem das Land die stärkste Tourismussaison seiner Geschichte mit etwa zwei Millionen Gästen erwartet hatte. Zudem haben viele Einwohner das Land verlassen.

Zumindest in Beirut sieht der Großteil der Bevölkerung die Schuld für den Krieg bei der Hisbollah, schätzt El Zein: "Aber je länger die humanitäre Katastrophe dauert, umso mehr werden die Leute sagen: Es sind israelische Flugzeuge, die israelische Bomben auf uns werfen."

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(Daniel AJ Sokolov) / (jk)