US-Unternehmen veröffentlicht sensible Daten aus Seefrachtverträgen

Kunden des US-amerikanischen "Port Import and Export Reporting Service" können Einblicke in die Geschäftsgeheimnisse europäischer Unternehmen erlangen. Trotz wiederholter Proteste hat die zuständige EU-Kommission bis heute nicht reagiert.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Das US-amerikanische Marktforschungsunternehmen Port Import and Export Reporting Service (Piers) publiziert Daten aus Schiffsmanifesten und Konnossements europäischer Lieferanten. So erhalten Wettbewerber Einblick in den Umfang von Exporttätigkeiten bis hin zu Geschäftsgeheimnissen von Unternehmen. Sie erfahren nicht nur, was sie liefern, sondern auch wie viel, an wen und über welche Häfen die Verschiffung läuft. Auf wiederholte Proteste verschiedener internationaler Verbände wie der International Federation of Freight Forwarders Associations (FIATA) und nationaler Verbände wie dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) und dem Bundesverband Spedition und Logistik hat die zuständige EU-Kommission bis heute nicht reagiert.

Die Daten von europäischen Unternehmen erhält das Unternehmen über das US-amerikanische Informationsfreiheitsgesetz (Freedom of Information Act, FOIA). Es ermöglicht in Verbindung mit den "U.S. Customs Regulations" Daten aus Schiffsmanifesten und Konnossements zu veröffentlichen, die die beteiligten Wirtschaftskreise dem amerikanischen Zoll im Rahmen des "U.S. Customs Automated Manifest System" (AMS) offenbaren müssen. Als Datenquelle gibt Piers selbst auf seiner Website an: "Bills of lading and manifests filed manually as well as U.S. Customs Automated Manifest System (AMS) filings". Auch informiert Piers darüber, dass die Schiffslinien und Importeure, die Kunden von Piers sind, ihre eigenen Schiffsladungen selbst direkt im Piers-System verifizieren.

Die so genannte 24-Stunden-Manifestregelung verpflichtet Reedereien aus Sicherheitsgründen, das Schiffsmanifest 24 Stunden vor dem Beladen des Schiffs mit für die USA bestimmten Seecontainern elektronisch an das AMS-System des US-Zolls zu übermitteln. Mit Hilfe ihres automatisierten Zielkontrollsystems kann die US-Zollverwaltung Warensendungen mit hohem Risiko herausfiltern. Betroffen sind nicht nur Sendungen, die für die USA bestimmt sind, sondern auch Transitsendungen, die sich an Bord eines Schiffes befinden, das die USA später anläuft. Sendungen, die nicht den Vorschriften entsprechen, erhalten vom US-Zoll keine Verladefreigabe.

Obwohl der Vorgang in den USA legal zu sein scheint, verstößt er gegen ein Abkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten. Robert Verrue, Generaldirektor für Steuern und Zollunion der Europäischen Kommission, verweist darauf, dass die zwischen den Vertragsstaaten übermittelten Daten nur für rechtlich definierte Zwecke verwendet werden dürfen. Dies verlange ein Abkommen zwischen der EG und den USA zur Ausweitung der Zusammenarbeit auf den Bereich der Handelssicherheit (PDF-Datei) von 2004 in Verbindung mit einem Basisabkommen aus dem Jahr 1997 über die Zusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe im Zollbereich. Laut Verrue darf die US-Zollbehörde "Namen des Käufers, Absenders und Endempfängers oder andere Daten, die die Wirtschaftsinteressen verletzen könnten", nicht veröffentlichen – ausgenommen sind nur Informationen über Ursprungsland, Warenbeschreibung und Gewicht.

Piers veröffentlicht aber auch die Daten, die laut Abkommen der Öffentlichkeit nicht zugänglig gemacht werden sollten. Thomas Schröder, Referent des Komitees deutscher Seehafenspediteure (KDS) erläutert gegenüber heise online: "Nach unserem Erkenntnisstand veröffentlicht Piers sowohl Absender, Empfänger und sämtliche Verschiffungsdetails wie den HS-Code und die Warenbezeichnung, Stückzahl, Gewicht. Auch ein geschätzter Wert wird genannt."

heise online konnte dies über eine kostenlose Abfrage der Piers-Datenbank teilweise nachvollziehen. So brachte eine generelle Abfrage zu Deutschland als exportierendem Land und Siemens als Exporteur eine lange detaillierte Warenliste. Sie offenbarte beispielsweise, dass die Firma Siemens im Berichtszeitraum unter anderem Röntgengeräte über den Hafen New York in die USA exportiert hat. Da es nur wenige Röntgengeräte im Berichtszeitraum waren, ließen sich in einem weiteren Abfrageschritt über den den Röntgengeräten zugeordneten HS-Code auch die Empfänger der Geräte feststellen.

Eine kostenpflichtige Profi-Abfrage würde noch detailliertere Angaben zeigen. In einem Beispiel für ein "Company Trade Profile" zeigt Piers das Profil einer US-Weinhandlung: Unter anderem werden die Handelsorte, die in Australien, Italien und den Niederlanden ansässigen Handelpartner sowie der geschätzte Wert der importierten Waren angeführt. Aufgeschlüsselt werden sie nach Herkunftsländern, Importhäfen und Warenklassen. Piers erhält nach eigenen Angaben Exportdaten im Übrigen nicht nur über das Informationsfreiheitsgesetz. Insbesondere für südamerikanische Länder liefern Partnerfirmen nicht nur Import-, sondern auch Exportdaten. Obwohl die Firmenprofile unvollständig bleiben, da andere Frachtarten wie etwa die Luftfracht nicht erfasst werden, geben sie einen Einblick in die internationale Geschäftstätigkeit eines Unternehmens.

Für Schröder steht fest: "Das ist kein Problem der Spediteure, sondern ein Problem der Käufer und Verkäufer, deren Geschäftsinformationen veröffentlicht werden." Zuletzt verurteilte die FIATA die gängige Praxis mit klaren Worten: "Die Veröffentlichung sensibler kommerzieller Informationen, die unter den 24-Stunden-Regeln erlangt wurden, für die US-amerikanische Öffentlichkeit und die Weitergabe an interessierte Parteien in den USA unter dem Vorwand des US-Informationsfreiheitsgesetzes, haben nichts mit US-Sicherheitsinteressen zu tun, sondern dienen ausschließlich den US-Handelsinteressen". (Christiane Schulzki-Haddouti) / (pmz)