DocMorris-Fall könnte deutsches Apothekengesetz kippen
Im Streit um die erste "real existierende" Filiale der Internet-Apotheke DocMorris in Deutschland will die Bundesregierung sofort handeln, sollten Gerichte im Grundsatz entscheiden, dass das deutsche Apothekengesetz gegen EU-Recht verstößt.
Im Streit um die erste "real existierende" Filiale der Internet-Apotheke DocMorris in Deutschland will die Bundesregierung im Fall eines entsprechenden Grundsatzurteils gegen DocMorris das Apothekengesetz (PDF-Datei) sofort ändern. Würden Gerichte so entscheiden, dass die deutsche Rechtsetzung ans EU-Recht angepasst werden muss, "würde dies unmittelbar geschehen", sagte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums am Mittwoch in Berlin.
Der niederländische Internet-Arzneihändler DocMorris hatte mit Genehmigung des saarländischen Gesundheitsministers Josef Hecken (CDU) Ende Juni eine Apotheke in Saarbrücken übernommen und dabei die ehemalige Inhaberin als verantwortliche Apothekerin angestellt. Gleich im ersten Monat gelang es dem Unternehmen, den Umsatz der Apotheke zu verdoppeln.
Eine Apothekerin, deren Geschäft in der Nachbarschaft der DocMorris-Filiale liegt, hatte dagegen geklagt. Sie führte an, dass eine Apotheke nur von einer natürlichen Person und nicht von einer Kapitalgesellschaft wie im Fall DocMorris geführt werden dürfe. Zudem dürften Apotheker laut deutschem Apothekenrecht nur drei Filialen eröffnen, die in "enger Nachbarschaft" zur Stammapotheke liegen müssen. DocMorris beruft sich hingegen auf das europäische Recht der Niederlassungsfreiheit.
Der Kartellsenat des Landgerichts Saarbrücken wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Zulassung in der saarländischen Landeshauptstadt am heutigen Mittwoch ab. Die zuständige Kammer sah die Einrichtung einer Filiale nicht als Verstoß gegen die Vorschriften gegen unlauteren Wettbewerb an. Auch stellte die Kammer keine offenkundigen Fehler im Genehmigungsverfahren fest.
Als Nächstes muss das saarländische Verwaltungsgericht über einen Eilantrag des deutschen Apothekerverbandes und der Apothekerkammer des Saarlandes auf Entziehung der Betriebserlaubnis für die DocMorris-Apotheke entscheiden. Auf diesen Eilantrag wird das Hauptverfahren folgen, das mehrere Jahre dauern kann. Eine beschleunigte Entscheidung könnte dann erfolgen, wenn die Verwaltungrichter die Frage gleich dem Europäischen Gerichtshof vorlegen, der die letzte Instanz in dieser Auseinandersetzung ist.
Die Entscheidung über die Niederlassung von DocMorris könnte erhebliche Auswirkungen auf die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte haben. Als kombinierter Internet-Versandhändler und ortsnaher Apotheker könnte DocMorris ein Netz von Internet-Terminals errichten, über das Medikamente per Chipkarte bestellt werden – und gleichzeitig unsicheren Kunden eine Beratung vor Ort anbieten. Insgesamt könnte nach Berechnungen des saarländischen Gesundheitsministeriums ein effizienter Medikamenten-Versandhandel, in dem auch 1250 deutsche Apotheken tätig sind, Einsparungen von zwei Milliarden Euro jährlich realisieren. (pmz)