Weiter erhöhte Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland

Nach der Vereitelung einer Serie von Selbstmordattentaten auf Flugzeuge US-amerikanischer Fluggesellschaften in Großbritannien ist die Alarmbereitschaft auch in Deutschland weiterhin auf einem hohen Niveau.

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Von
  • Detlef Borchers

Nach der Vereitelung einer Serie von Selbstmordattentaten auf Flugzeuge US-amerikanischer Fluggesellschaften in Großbritannien ist die Alarmbereitschaft weiterhin auf einem hohen Niveau. So erklärte das Bundesinnenministerium in einer E-Mail: "Die Luftsicherheitsmaßnahmen sind, der Gefährdungslage angepasst, bereits seit Längerem in Deutschland auf hohem Niveau. Gleichwohl haben wir heute auch für Deutschland vorsorglich nochmals erhöhte Luftsicherheitsmaßnahmen angeordnet, Einzelheiten hierzu werden nicht bekannt gegeben." Allen Flugpassagieren wird empfohlen, frühzeitig vor Abflug bei den Sicherheitskontrollen zu erscheinen.

Weil die britischen Behörden sich derzeit noch nicht zu den Details ihrer Razzia äußern, spekulieren britische Zeitungen mit Informationen, die sie aus "gut unterrichteten" Geheimdienstkreisen erhalten. Danach soll eine Gruppe von 24 bis 30 jungen Männern und Frauen eine in mehreren Wellen gestaffelte Attentatsserie auf Flugzeuge amerikanischer Fluggesellschaften geplant haben. Bei den Attentaten sollte Flüsigkeitssprengstoff verwendet werden, möglicherweise Triacetat-Triperoxid (TATP) oder flüssiges Nitroglyzerin, das in Getränkeflaschen oder anderen Behältern in die Kabinen geschmuggelt werden sollte. Als Zünder sollten die Batterien von mobilen MP3-Playern oder Laptops dienen.

Dementsprechend gelten heute auf deutschen Flughäfen geänderte Richtlinien für das Handgepäck. Die Mitnahme von Getränken und anderen Flüssigkeiten ist verboten, dementsprechend müssen alle Flaschen und Tuben in den Koffer. Bei der Mitnahme von Laptops und MP3-Playern gibt es unterschiedliche Regelungen. Bei Singapur Airways und allen US-amerikanischen Gesellschaften müssen die Geräte in die Koffer, bei der Lufthansa können sie im Handgepäck mitgenommen werden. Wer im Flugzeug auf langen Flügen arbeiten will, sollte auf Nummer sicher gehen und, seine Arbeit ausdrucken und ausreichend Schreibpapier mitnehmen, heißt es bei der Flugsicherung in Frankfurt.

Über die erhöhten, aber nicht genau benannten Sicherheitsmaßnahmen auf deutschen Flughäfen gibt es unterschiedliche Ansichten. Während die Pilotenvereinigung Cockpit die Sicherheitsmaßnahmen für ausreichend hält, drängt die Gewerkschaft der Polizei auf Verstärkung. Als Haupthindernis im Kampf gegen den Terror hat sie den "übertriebenen Datenschutz" in Deutschland ausgemacht. So erklärte Bernhard Witthaut, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft: "Bisher sind der Polizei viele Instrumente der Vorfeldaufklärung und Überwachung aus Datenschutzgründen aus der Hand genommen oder erschwert worden. Auch ein Projekt wie die Anti-Terror-Datei, für das nun endlich grünes Licht gegeben worden sei, darf nicht jahrelang in der politischen Pipeline hängen bleiben."

Ob bessere Datenbestände gegen den Terror helfen, ist eine ungeklärte Frage. Der entscheidende Hinweis auf einen möglichen zweiten "11. September" kam im aktuellen Fall offenbar vom pakistanischen Geheimdienst. Dieser hatte an der afghanischen Grenze einen Mann festgenommen, der Details einer unmittelbar bevorstehenden Aktion verriet. Die britische Gruppe wurde nach Angaben von Scotland Yard schon länger observiert. So sollen die Telefone der meisten Verdächtigen seit Januar abgehört worden sein. Allerdings sei es dabei nicht gelungen, "Mr. Big" von Al Quaida ausfindig zu machen, der die ganze Aktion koordinierte, so eine Geheimdienstquelle.

Ob Al Qaida unmittelbar beteiligt ist, ist unter Fachleuten umstritten. Gegenüber der hoch spezialisierten Planung und Ausführung der Attentate vom 11. September 2001 erscheinen die geplanten Sprengstoffattentate als primitive Aktionen, so der Essener Terrorismusforscher Rolf Tophoven. Tophoven vertritt seit geraumer Zeit die These, dass Al-Qaida nicht mehr die logistischen und technischen Mittel hat, einen Anschlag wie den vor fünf Jahren zu wiederholen. Das sei auch nicht nötig, weil junge benachteiligte Muslime in den westlichen Staaten in die Terror-Rollen schlüpften und "Homgrown-Terrorists" wären: "Sie werden erst in Europa wieder re-islamisiert und re-radikalisiert", erklärte Tophoven. Britische Zeitungen berichteten, dass 20 Festgenommene aus Familien mit pakistanischer Herkunft stammen sollen und vier aus nordafrikanischen Ländern kommen. Dementsprechend fordert der Polizeigewerkschaftler Witthaut in seiner Stellungnahme zu den Londoner Vorfällen die Ausweitung der Observation muslimischer Gruppen: "Wenn junge, in einem westeuropäischen Land aufgewachsene Menschen sich zu solchen Taten bereitfinden, muss ein noch größeres Augenmerk auf die Entwicklung von Parallelgesellschaften gelegt werden." (Detlef Borchers) / (anw)