Berliner Wissenschaftler stellen neue TV-Werbeerkennungstechnik vor
Ein neues, patentiertes Verfahren von Wissenschaftlern der TU-Berlin detektiert in Echtzeit anhand so genannter visueller Deskriptoren TV-Werbung mit hoher Trefferquote.
Ein neues, patentiertes Verfahren von Wissenschaftlern der TU-Berlin detektiert in Echtzeit anhand so genannter visueller Deskriptoren – werbetypische Farb-, Textur- und Bewegungsunterschiede in aufeinanderfolgenden MPEG2-Streams – Werbung mit hoher Trefferquote. Dr.-Ing Ronald Glasberg und Prof. Dr.-Ing Thomas Sikora vom Fachgebiet Nachrichtenübertragung der TU Berlin arbeiten schon geraume Zeit an Verfahren, wie man in Video-Streams durch Analyse solcher Deskriptoren das Genre erkennen kann. Im Herbst vorigen Jahres stellten sie auf der Fachkonferenz EUSIPCO ihre Methode vor, um Cartoons mit hoher Trefferquote (damals 80 Prozent) erkennen zu können ("Cartoon-Recognition using Visual-Descriptors and a Multilayer-Percepron").
Inzwischen haben die Erfinder um Dr. Glasberg das Verfahren auf typische deutsche TV-Werbespots trainiert und erzielten eine Trefferquote von 93 Prozent. Ob man das nun, wie die Mediainformation der TU Berlin, schon als sichere Erkennung verkauft, sei zwar dahingestellt – aber das Verfahren ist noch jung und lernt dank neuronalem Netz dazu. Die Misserkennungsrate von Filmen und Nachrichten als vermeintliche Werbung liegt außerdem bei nur einem Prozent. Wie die Technik funktioniert, demonstrieren die Wissenschaftler auf der IFA, am Stand der TU Servicegesellschaft GmbH in Halle 5.3.
Die Grundlagen der Technik haben sie im Juli auf der ICME 2006 (IEEE 7th International Conference on Multimedia & Expo) bekannt gegeben. Die Bilder aufeinanderfolgernder I-Frames werden herunterskaliert (bei der Cartoon-Erkennung waren es 90 × 72 Pixel) und Deskriptoren-Familien erzeugt: Helligkeit, Sättigung, Farbunterschiede, Kantenerkennung, Bewegung und so weiter. Aus diesen Deskriptoren lassen sich mit bestimmten Heuristiken im neuronalen Netz (Multilayer Percptron) die Genres und, entsprechend trainiert, auch die potenzielle Werbung erkennen.
Die Erfindung ist zum Patent angemeldet und wird von der ipal GmbH, dem gemeinsamen Patentverbund der Berliner Hochschulen, vermarktet, mit der die TU Berlin bereits seit 2001 eine aktive Patentierungs- und Verwertungspolitik betreibt.
Bislang haben automatische Werbeerkenner meist relativ einfache Techniken eingesetzt, mit zum Teil schlechten Trefferquoten, die meist auch nur offline mit abgespeicherten Video-Dateien funktionierten. Richtig sicher war ansonsten bislang nur die Erkennung von Breitbandfilmen dank der schwarzen Streifen, wogegen die Werbung normales 4:3-Format verwendete. In der 16:9-Zeit geht dieses Kriterium jedoch allmählich verloren. Ein anderes Erkennverfahren benutzt die Logos, die für Werbung – außer bei Eigenwerbung – ausgeblendet werden müssen. Die Sendeanstalten haben aber durch Verschiebung der Logos und verspätetes Wiedereinblenden die Erkennung erschwert. Schnitttechnik- und Audio-Analyse (etwa Pegeländerung) kommen als weitere Kriterien hinzu. Doch die Ausblendsoftware beschränkt sich zumeist auf das Markieren der vermeintlichen Werbeblöcke und traut sich nicht, eigenständig zu löschen. Das könnte jetzt bald anders werden. Dank Echtzeit-Fähigkeit werden dann die als Werbung gebrandmarkten Szenen gar nicht erst aufgezeichnet. (as)