Scharfe Kritik am weiteren Flugdatentransfer in die USA
Volksvertreter aus EU-Parlament und dem Bundestag werfen der EU-Kommission und der finnischen Ratspräsidentschaft vor, bei der Aushandlung eines Zwischenabkommens zur Passagierdatenweitergabe eingeknickt zu sein.
Abgeordnete aus EU-Parlament und Bundestag werfen der EU-Kommission und der finnischen Ratspräsidentschaft vor, bei der Aushandlung eines Zwischenabkommens zur Weitergabe von Flugpassagierdaten (Passenger Name Records, PNR) an US-Behörden eingeknickt zu sein. "Die Europäische Union ist in dieser Frage eindeutig dem Druck der USA erlegen", beklagt Alexander Alvaro (FDP), Koordinator im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des EU-Parlaments. Er habe seine Hoffnung auf einen datenschutzrechtlich ausgewogenen Text nach Bekanntgabe des Verhandlungsergebnisses begraben müssen. Cem Özdemir, der für die Grünen im Ausschuss sitzt, sprach von einer Einigung "auf Kosten der Rechte der Unionsbürger" und einem "Schlag" gegen den Datenschutz.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour warf den USA im PNR-Streit genauso wie in der SWIFT-Affäre oder bei der geplanten künftigen Übermittlung von TK-Verbindungsdaten eine "ignorante Haltung gegenüber anderen Rechtssystemen vor". Es brauche im Kampf gegen den Terrorismus nicht nur effektive Strafverfolgung, sondern auch einen effektiven Schutz der Bürgerrechte. Die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion der Linkspartei im Bundestag, Petra Pau, empörte sich über eine "Erpressung" der Datenübermittlung durch die USA, die nun von der EU noch sanktioniert werde. Sie wittert weiter eine prinzipielle Verletzung der Grundrechte der rund 450 Millionen EU-Bürger. Auch das bis Ende Juni 2007 gültige Interimsabkommen sei damit verfassungswidrig. In ihren Bedenken bestätigt fühlt sich überdies die FDP-Bundestagsfraktion: "Die Bundesregierung hat bei den Verhandlungen die Interessen der deutschen Passagiere nicht ausreichend vertreten", erklärt ihr Parlamentarischer Geschäftsführer, Ernst Burgbacher.
Die Abgeordneten empört vor allem, dass die bereits im Vorgängerabkommen definierten 34 Datensets einschließlich Namen, Geburts- und Flugdaten, Kreditkarteninformationen, besonderen Essenswünsche, weiteren Buchungen für Hotels oder Mietwagen sowie E-Mail-Adressen und Telefonnummern künftig ganz offiziell nicht mehr nur an den US-Zoll, sondern auch an Sicherheitsbehörden wie das FBI oder die CIA übermittelt werden dürfen. "Hier hätte Europa eindeutige datenschutzrechtliche Schutzvorkehrungen verlangen müssen", moniert Alvaro. Durch die erweiterten Zugangsmöglichkeiten sei es für EU-Bürger nicht mehr nachvollziehbar, wer in den USA über ihre Daten verfügt. Als einzigen Lichtblick betrachtet der FDP-Politiker die Durchsetzung des so genannten Push-Systems. Es verhindere, dass US-Behörden wahllos aus den Fluggastdaten bei den Fluggesellschaften schöpfen dürften. Wann genau die Abkehr vom gegenwärtigen Pull-System erfolgen soll, ist allerdings noch offen.
Alvaro warf überdies die Frage auf, "was die Amerikaner gemacht hätten, wenn demnächst keine europäischen Flugzeuge mehr auf amerikanischem Boden gelandet wären, weil sie auf der Grundlage von EU-Recht keine Fluggastdaten mehr übermittelt hätten." Er glaubt nicht, dass der dadurch entstehende volkswirtschaftliche Schaden die USA kalt gelassen hätte. "Dagegen haben wir uns wieder einmal ohne Not dem Willen der USA gebeugt", ärgert sich der Liberale. Martine Roure, die Berichterstatterin für den PNR-Transfer im EU-Parlament, mahnte zugleich an, dass die US-Behörden nun ihrem Versprechen zum Einhalten aller weiter bestehenden Datenschutzvorschriften nachkommen müssten. Die französische Sozialistin pochte ferner darauf, die europäische Volksvertretung bei der Aushandlung des Folgeabkommens zu beteiligen. Der neue Vertrag müsse vor allem eine Klausel enthalten, der zufolge EU-Bürger gegen den Missbrauch ihrer persönlichen Daten gerichtlich vorgehen können.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries begrüßte derweil laut Agenturberichten in Luxemburg prinzipiell das Interimsabkommen und die Ansage der EU-Kommission, auch die Daten von aus den USA in die EU fliegenden Passagieren durch Sicherheitsbehörden auf dem alten Kontinent überprüfen zu lassen und ein eigenes Passagierdatensystem aufzubauen. Der Schutz vor terroristischen Anschlägen sollte für Flüge in die EU und innerhalb der Gemeinschaft nicht geringer sein als für Flugreisen über den Atlantik, befand die SPD-Politikerin. Die Mitgliedsstaaten müssten ein solches System im EU-Rat aber einstimmig befürworten. (Stefan Krempl) / (vbr)