Streit um deutsche Online-Datenbank mit Sexualstraftätern
Landes- und Bundestagspolitiker von CSU und SPD wollen nach einem neuen Gewaltverbrechen einen Internet-Pranger für Sexualstraftäter nach US-Vorbild einrichten. Doch die Pläne sind auch innerhalb ihrer Parteien heftig umstritten.
Landes- und Bundestagspolitiker von CSU und SPD wollen einen Internet-Pranger für Sexualstraftäter nach US-Vorbild einrichten, doch die Pläne sind auch innerhalb ihrer Parteien heftig umstritten. Angesichts der Schwere von Sex-Verbrechen fände er es berechtigt, dass die Täter mit einem öffentlichen Stigma leben müssen, brachte der Hamburger SPD-Landeschef Mathias Petersen in der "Bild"-Zeitung den Stein ins Rollen. "Jedes Kind, das dadurch nicht zum Opfer wird, ist ein großer Gewinn", zitiert das Blatt den vermutlichen Bürgermeisterkandidaten der Sozialdemokraten in der Hansestadt. Die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär erklärte demzufolge überdies: "Die Sicherheit unserer Kinder sollte über dem Datenschutz stehen." Eine Kollegin von der CDU, Kristina Köhler, forderte, das amerikanische Modell zumindest rechtlich zu prüfen.
In den USA hat das Repräsentantenhaus Ende Juli grünes Licht für die Einrichtung einer nationalen Sexualstraftäter-Datenbank in Form einer National Sex Offender Registry gegeben. Damit sollen Informationen über Sex-Verbrecher der Öffentlich besser zugänglich gemacht werden. Zahlreiche US-Bundesstaaten und Städte führen bereits auf eigene Faust vergleichbare Verzeichnisse von Schwerverbrechern im Netz. 2005 stellte das US-Justizministerium die "National Sex Offender Public Registry Web Site" online, um einen gebündelten Zugang auf die Einzelprojekte zu bieten.
Die erste Website mit persönlichen Informationen über verurteilte Sexualstraftäter einschließlich Foto, Angaben über ihre Straftaten, und ihren derzeitigen Aufenthaltsort veröffentliche Florida 1997 im Web. Vertreter von Bürgerrechtsorganisationen bezweifeln den Wert der Online-Pranger seitdem. Sie warnen vor der Beschneidung der Möglichkeiten zur Resozialisierung der Täter und befürchten eine Förderung einer Lynchjustiz. Tatsächlich wurden im April 2006 zwei in einer Verbrecher-Datenbank des US-Bundesstaates Maine geführte Sexualstraftäter erschossen. Die Verantwortlichen nahmen daraufhin das Triebtäterverzeichnis mit rund 2200 Einträgen wieder vom Netz.
Trotz der zwiespältigen Erfahrungen in den USA wollen die von "Bild" befragten Politiker, dass bald alle Bürger Daten von Sexverbrechern in Form eines Internet-Stadtplans abrufen können. Aktueller Auslöser für das Plädoyer ist der Sexualmord an einer 39-jährigen Krankenschwester im fränkischen Bayreuth am vergangenen Wochenende. Der mutmaßliche Täter war bereits vor fünf Jahren wegen Vergewaltigung, Menschenraub und räuberischer Erpressung zu über acht Jahren Haft verurteilt worden. Nachdem er zwei Drittel seiner Haftstrafe ohne Auffälligkeiten verbüßt hatte, ordnete das Landgericht Bamberg nach einem sehr positiven Gutachten die Entlassung des Mannes an.
Die Idee des Triebtäter-Prangers hat in der SPD und in der Union aber auch scharfe Kritiker. Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der Sozialdemokraten im Bundestag, hält die Forderung wegen der Gefahr der Selbstjustiz für "nicht verantwortbar". So etwas werde es "im Rechtsstaat Deutschland" nicht geben, betonte Wiefelspütz gegenüber Spiegel Online. Die unter Rot-Grün beschlossene nachträgliche Sicherungsverwahrung für Sexualstraftäter sei ausreichend, andere Vorschläge würden dem "Recht der freien Wildbahn" das Wort reden und Unsicherheit schaffen. Auch die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) hält die öffentliche Preisgabe von Namen und Adressen von Sexualstraftätern für den falschen Weg. Generell bezweifeln Rechtsexperten, ob ein Internet-Pranger mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dem Grundgesetz zu vereinbaren wäre. (Stefan Krempl) (jk)