Friedensnobelpreisträger setzt Telenor unter Druck

Mohammed Yunus fordert vom norwegischen Telekommunikationskonzern Telenor, seine Anteile am größten Mobilfunker Bangladeschs, Grameenphone, "an die Armen Bangladeschs" abzutreten.

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Für die wirtschaftsfördernde Vergabe von Mikrokrediten haben der Bangladescher Mohammed Yunus und die von ihm initiierte Grameen Bank im Dezember in Oslo den Friedensnobelpreis erhalten. Den Rummel nutzt der Geschäftsmann, um Druck auf Telenor auszuüben. Der norwegische Telekommunikationskonzern ist nicht nur einer der Sponsoren des Friedensnobelpreiszentrums, sondern auch Mehrheitseigentümer des größten Mobilfunkers in Bangladesch, Grameenphone. Mitgründer Yunus möchte, dass Telenor seine Anteile "an die Armen Bangladeschs" abtritt. Telenor kann diesem Ansinnen wenig abgewinnen.

1997 gründeten Telenor und Yunus ein Joint Venture: In Bangladesch, einem der ärmsten Länder der Welt, wurde der Mobilfunk-Netzbetreiber Grameenphone gegründet. Nach dem inzwischen zwei weitere Teilhaber ausgeschieden sind, halten heute Telenor 62 Prozent und das nicht gewinnorientierte Unternehmen Grameen Telecom 38 Prozent. Das riskante Unterfangen wurde ein ungeahnter Erfolg. Als Marktführer mit über zehn Millionen Kunden und einer Netzabdeckung von 95 Prozent ist Grameenphone heute nicht nur der größte Mobilfunkanbieter, sondern auch einer der größten Steuerzahler des Landes. Fünftausend eigene Mitarbeiter, geschätzte 100.000 Verkäufer und mehr als eine Viertelmillionen so genannter Telefonfrauen leben unmittelbar von Grameenphone.

Die Telefonfrauen sind ein wesentliches Element des Businessplans. Diese Bewohnerinnen bitterarmer Dörfer (gram = Dorf, Anm.) nehmen bei der Grameen Bank einen Kredit auf, um bei Grameen Telecom ein GSM-Handy zu kaufen. Sie laden es - oft mit Solarzellen - auf und vermieten es minutenweise an andere Dorfbewohner. Über 50.000 Dörfer haben dadurch Zugang zu Telekommunikation. Grameen Telecom kauft die Telefonminuten zu Großhandelskonditionen bei Grameenphone ein und verrechnet mit den Telefonfrauen. Die Frauen verdienen ihren Lebensunterhalt und zahlen mit der Zeit den Kredit zurück. Obwohl sie nur rund zweieinhalb Prozent des Kundenstocks bilden, sorgen sie für 19 Prozent des Umsatzes von Grameenphone.

Zehn Jahre nach Unternehmensgründung scheint die Risikophase überwunden zu sein. Obwohl sich bald sechs Mobilfunk-Netzbetreiber auf dem Markt tummeln, ist bei 140 Millionen Einwohnern und rasch sinkenden Tarifen noch viel Raum für Wachstum. Auch die Investition in die Datenübertragung (GPRS und EDGE) macht sich bezahlt. In nur 15 Monaten hat Grameenphone mehr als 1,3 Millionen EDGE-User gewonnen. Zum Vergleich: Bangladesch hat nur 1,5 Millionen Festnetznutzer, von denen 600.000 online gehen. In Bangladesch hat Telenor zehn Prozent seiner Mobilfunkkunden und erwirtschaftet drei bis fünf Prozent seines Gesamtumsatzes.

Doch nun hätten die Norweger ihre Schuldigkeit getan und sollten sich zurückziehen, meint Yunus. Telenor sei im Gegensatz zur Grameen-Gruppe nicht sozial orientiert sondern auf Gewinnmaximierung aus. Der Nobelpreisträger beruft sich auf ein vor zehn Jahren gegebenes Versprechen, dem zufolge Telenor sich 2002 hätte zurückziehen sollen. Die skandinavische Firma stellt eine solche Abmachung in Abrede, zeigt sich aber zu Gesprächen über die zukünftige Eigentümerstruktur bereit. Die norwegische Zeitung Dagbladet berichtet über ein Dokument, in dem Telenor die Absicht äußert, den eigenen Anteil auf unter 35 Prozent zu senken. Aber eine unkonkrete Absichtsäußerung ist kein bindender Vertrag. Yunus pocht trotzdem auf die Einhaltung des "Gentleman's Agreement".

Telenor verweist darauf, bisher keinen Gewinn aus dem Unternehmen gezogen zu haben. Von dem akkumulierten EBITDA (Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen) von 1,08 Milliarden Dollar (836 Millionen Euro) seien 1,06 Milliarden im Land reinvestiert worden. Nur 55 Millionen Dollar hat Telenor nach eigenen Angaben als Dividenden erhalten - aber 87 Millionen als Grundkapital eingezahlt. Außerdem sei der Erfolg von Grameenphone auch auf die Unterstützung durch Telenor zurückzuführen. Dazu gehört auch der wesentlich kostengünstigere konzernweite Einkauf.

Zur Zeit der Gründung von Grameenphone gehörte Telenor noch zur Gänze dem Königreich Norwegen, Ministerpräsident war der sozialdemokratische Politiker Thorbjørn Jagland. Heute fordert er den sechstgrößten Konzern seines Landes auf, Yunus Aufforderung Folge zu leisten. Dazu sei Telenor "moralisch verpflichtet." (Daniel AJ Sokolov) (vza)