Wirtschaft soll beim E-Government stärker zum Zug kommen

Der Branchenverband Bitkom fordert mehr Zurückhaltung bei Eigenentwicklungen im IT-Dienstleistungsbereich seitens der öffentlichen Hand. Diese solle sich vor allem auf das Vorantreiben gemeinsamer Standards beschränken.

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Der Branchenverband Bitkom fordert bei IT-Dienstleistungen im Bereich E-Government mehr Zurückhaltung bei Eigenentwicklungen der öffentlichen Hand. Diese solle sich hauptsächlich auf das Vorantreiben gemeinsamer Standards beschränken, heißt es in einem Stellungspapier der Lobby-Vereinigung. Auf dieser Basis könne ein "reger Wettbewerb" entstehen, der wiederum zu "innovativen und wirtschaftlichen Angeboten" führe und somit auch im Interesse des Staates liege. Ein "klarer Irrweg" sei es dagegen, wenn Gemeinden, Gebietsrechenzentren, Landes- oder Bundesverwaltungen eigene IT-Produkte oder -Services anböten. Eigenentwicklungen dürfen dem Bitkom zufolge nur angestrebt werden, wenn für eine Lösung kein Markt bestehe und auch nicht über Forschungsförderung entwickelt werden könne.

Generell hält der Bitkom zu seinem Missbelieben fest, dass "ein manifester Aufbau von IT-Beratungs- und Dienstleistungskompetenz über alle Ebenen der öffentlichen Verwaltung erfolgt." Mit den Forderungen nach einer Senkung der Staatsquote und Aufgabenkritik lasse sich dieser Trend nicht vereinbaren. Würden sich daraus doch "mittel- bis langfristig dramatische Folgen für den Wettbewerb und auch für die Wirtschaftlichkeit der Lösungen innerhalb der Verwaltung ergeben. Letztlich könne so nicht gewährleistet bleiben, "dass auch die öffentliche Hand dauerhaft mit qualitativ hochwertigen, zeitgemäßen und sicheren Produkten arbeitet."

Zugleich erinnert der Branchenverband an ausdrückliche Regelungen über die Grenzen der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand etwa in den Gemeindeordnungen. Demnach dürfe eine Kommune nur selbst tätig werden, wenn der beabsichtigte Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch ein privatwirtschaftliches Unternehmen erfüllt werden könne. Daraus leitet der Bitkom eine "grundlegende ordnungspolitische Wertung unserer Rechtsordnung ab", wonach die Verwaltung insbesondere verwalten und weniger erwerbswirtschaftlich auftreten solle. Umso mehr missfällt dem Verband, dass die öffentliche Hand verstärkt IT-Dienstleistungen auch bei öffentlichen Ausschreibungen in Konkurrenz zu Privaten anbiete.

Konkret listet das Papier an Sünden der Verwaltung etwa auf, dass bis Ende 2005 für zentrale IT-Infrastrukturen aller Bundesbehörden weder verlässliche Daten über die Nutzung noch Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen vorgelegen hätten. Dies habe der Bundesrechnungshof gerügt und dabei ausdrücklich auf zentrale Dienstleistungsangebote wie die Virtuelle Poststelle, den Formularserver und die elektronische Zahlungsverkehrsplattform des Bundes hingewiesen. Darüber hinaus würden die Rechenzentren von Kommunen und Ländern etwa über den Zusammenschluss dataport mehr und mehr als Anbieter für Software für die Gemeinden auftreten.

Von einem fairen Wettbewerb könne dabei keine Rede sein, da die Leistungen meist als Anstalten des öffentlichen Rechts mit den einhergehenden typischen Privilegierungen angeboten würden, beklagt der Bitkom. So gelte für sie die "Anstaltslast", wonach für Ausfälle der Träger in Form des jeweiligen Bundeslandes gerade steht. Zudem werde die Bonität einer öffentlichen Einrichtung besser bewertet als die eines privaten Herausforderers. Vorteile gebe es auch bei Bürgschaften. Schließlich könnten öffentliche Dienstleister ihre Arbeit zu Tagessätzen anbieten, die durch Subventionen etwa im Gehaltsgefüge oder bei nicht kostendeckenden Kalkulationen unter Marktpreisen bleiben könnten. Durch gegenseitige Beauftragungen der öffentlichen IT-Dienstleister entstünden wechselseitige Vertragsbeziehungen sowie "im schlimmsten Fall wechselseitige Abhängigkeiten, die ein konsequentes Vertragsmanagement erschweren oder vereiteln."

Für bedenklich hält der Bitkom auch die geplante Vertragspraxis im Behördengeschäft, mit denen selbst die Standardverträge für IT-Beschaffungen "fit" für neue Geschäftsfelder der öffentlichen Verwaltung gemacht werden sollen. Ein Unternehmen, das Software für die öffentliche Hand entwickle, müsse so künftig nicht nur ein ausschließliches Nutzungsrecht an einem Programm oder System einräumen, sondern auch das "Recht zur wirtschaftlichen Verwertung einschließlich des Rechts zum Vertrieb an der erstellten Software". So sehe es die aktuelle Entwurfsfassung eines Systemvertrags vor, der in Grundzügen Anfang Mai vom Bundesinnenministerium vorgestellt worden sei.

Schwer belastet die Branchenvereinigung ferner, dass IT-Anbieter der öffentlichen Hand "als Dienstleister für andere öffentliche Einrichtungen häufig von der Umsatzsteuerbefreiung profitieren". Dies sei eine eindeutige Wettbewerbsverzerrung in einer Größenordnung, die von der Wirtschaft nur noch durch "Offshore-Ressourcen" ausgeglichen werden könne. In Grundsätzen klang diese Kritik bereits beim Bitkom-Forum zu IT im öffentlichen Bereich Anfang Januar durch. Damals hatte dataport-Chef Matthias Kammer aber dagegen gehalten, dass leistungsfähige IT-Anbieter aus dem öffentlichen Dienst nicht vom Eintritt in den Wettbewerb abgehalten werden dürften. Ferner habe sich die Privatwirtschaft in vielen IT-Projekten mit der öffentlichen Hand "nicht mit Ruhm bekleckert" und keine Lösung für den Umgang mit der Personalstruktur in den Kommunen vorgelegt. (Stefan Krempl) / (pmz)