Travel 2.0: Die Tourismusbranche fliegt auf neue Webtechniken

Auf der Internationalen Tourismusbörse spielen sich nutzergenerierte Inhalte und auf Weltenbummler zugeschnittene Suchverfahren in den Vordergrund, sodass die Konkurrenz für traditionelle Reisebüros immer größer wird.

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Auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin spielen sich dieses Jahr nutzergenerierte Inhalte und speziell auf Weltenbummler zugeschnittene Suchverfahren in den Vordergrund – neben Reisebuchungsdiensten und Anbietern von spezieller Hotelsoftware für die Betreuung von der Reservierung bis zum Checkout. Die Branche steckt auf der noch bis Sonntag dauernden Messe spürbar im Web-2.0-Fieber, zumindest dreht sich der vom Marktforschungsinstitut PhocusWright organisierte Begleitkongress "Market Trends & Innovations" schwerpunktmäßig um das Thema "Travel 2.0". Mit Hilfe neuer Webtechniken soll das Internet das Hauptmedium für die Informationssuche für Touristen und das Buchen von Reisen werden und den traditionellen Reisebüros endgültig den Rang ablaufen.

Vorreiter und Gewinner des Web-Booms in der Branche sind Plattformen wie TripAdvisor. Ähnlich wie Wikipedia lebt die Site von der "Weisheit der Menge": Knapp fünf Millionen Mitglieder haben in den vergangenen sieben Jahren dort rund sieben Millionen Einschätzungen und Berichte über besuchte Hotels und gemachte Reisen veröffentlicht. Etwa eine Million Besucher klicken sich täglich durch die Bewertungen und geben neue ab. Geld oder andere materielle Anreize gibt es nicht fürs Mitmachen. "Die Leute haben einen Nutzen aus den Einschätzungen anderer gezogen und wollen deshalb etwas zurückgeben in Form ihrer eigenen Meinung", beschreibt der Europachef der Plattform, Marc Charron, die Beweggründe der Surfer. Ihm zufolge sind die meisten Bewertungen ausgeglichen und unvoreingenommen: "Es gibt mehr Tipps als Schelte." Überdies werde jeder Eintrag gegengelesen und eine Software achte auf "verdächtiges Verhalten", sodass etwa Hotelbesitzer nicht mehrfach ihr Ressort über den grünen Klee loben könnten. Werde ein Betrüger erwischt, gebe es Strafmechanismen.

Technisch hat TripAdvisor gerade aufgerüstet. So lassen sich seit kurzem neben Fotos der besuchten touristischen Einrichtungen auch Videos hochladen. Verknüpfungen mit dem 3D-Atlas Google Earth gehören genauso zum Programm wie Möglichkeiten zum Beziehen von RSS-Feeds oder Speichern bevorzugter Angebote. Umsätze generiert die Site vor allem über Links auf Buchungsseiten, wobei Charron von Klickraten zwischen 20 und 30 Prozent schwärmt. Begeistert zeigt sich der Marketingexperte zudem von der Wirkung des "Long Tail", der mittelfristigen Chancenmehrung auch für Nischenanbieter mittels des Rattenschwanzes der schier unüberblickbaren Internet-Offerten. Die Besitzerin eines kleinen Hotels in Paris, das in der kondensierten Bewertungsliste der Übernachtungsplätze an der Seine unter den ersten fünf ist, hat laut Charron etwa aufgrund des Zulaufs ein zweites Haus eröffnet. Sein Resümee über die Wirkung der Plattform: "Was früher Mundpropaganda war, spielt sich nun übers Megaphon ab."

Generell sucht die Branche auf den fahrenden Web-2.0-Zug aufzuspringen. Das Münchner Startup "mein Cosmos" etwa lässt Nutzer auf der Site Cosmotourist eine persönliche Weltkarte mit Orten und Ländern erstellen, die sie bereits bereist haben und die sie in Zukunft gern besuchen möchten. Weltenbummler können zudem Hotels oder Orte ähnlich wie bei TripAdvisor in Reiseberichten bewerten und Fotos hochladen, die wiederum von anderen Nutzern zustimmend oder ablehnend zu beurteilen sind. So sollen Reisepräferenzen für andere Interessierte sichtbar und das Auffinden von Surfern mit gleichen Reisevorlieben einfacher werden.

Das Esslinger Online-Reisehaus fernweh.com wartet derweil auch seit neuestem mit einer Verknüpfung seiner Suchdatenbanken für Hotels, Flughäfen und Sehenswürdigkeiten mit dem Google Earth auf. Mit den Satellitenbildern sollen sich direktere Eindrücke von ausgewählten Tourismusorten gewinnen lassen. "Die Suche nach Reisen, Hotels oder Flügen geht nun optisch und nicht anhand langer Listen", prognostizieren die Macher von fernweh.com einen "Quantensprung" in der Online-Touristik. Beispielsweise könnten auch Verbindung einer Fluglinie von einem bestimmten Flughafen aus oder gar das gesamte Streckennetz in Kartenansicht angezeigt werden.

Das fünf Monate alte Webangebot kinkaa will das Durchforsten von Reisedatenbanken dagegen mit einer speziell auf den Touristiksektor ausgerichteten Meta-Suchmaschine einfacher machen. Über 180 Verzeichnisse von Fluggesellschaften, Hotelketten, Autoverleihern und Pauschalreiseanbietern lassen sich damit bereits auf einem Schlag durchschauen und etwa preislich vergleichen. Im Bereich Hotels wartet die Suchfunktion nicht nur mit einer Darstellung des jeweiligen Hauses mit Bild, Adresse, Sterne-Kategorie und Zimmerpreisen auf. Der Nutzer kann darüber hinaus auch auf eine interaktive Kartenapplikation von Google Maps zugreifen, Links zu Hotelbewertungen folgen oder sich Fotos, Videos und Weblogs zu seinem Ziel auf den Bildschirm holen. Doch auch wer auf klassische Reisekatalog steht, kann sich den Weg ins Reisebüro sparen: Auf dem Portal lastminute.de lassen sich die Wälzer fast aller Veranstalter nun virtuell durchblättern oder als PDF-Datei abspeichern.

Nach einer aktuellen Studie von reise.com und dem forsa-Institut informieren sich hierzulande zwei Drittel der Surfer im Web bereits zum Thema Reisen. Auch der Trend zur Online-Buchung hält an: Mit 31 Prozent bucht jeder Dritte seinen Urlaub im Netz. Hotelbewertungen durch andere Nutzer im Internet ersetzen gemäß der Untersuchung auch für immer mehr Kunden bereits vielfach die Fachberatung in Reisebüros. (Stefan Krempl) / (jk)