Entscheidung gegen DeNIC-Chefin sorgt für Wirbel

Gerade wenn es im Streit zwischen Sabine Dolderer und der Führungsetage bei der Registry für .de-Domains um unterschiedliche Konzepte für strategische Ausrichtung des DeNIC gegangen sei, wären die Mitglieder gefragt gewesen, meinen viele Beobachter.

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Von
  • Monika Ermert

Ein DeNIC ohne Sabine Dolderer können sich viele DeNIC-Mitglieder nur schwer vorstellen: Am Rande des Treffens der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) in Lissabon wurde die vom Aufsichtsrat gefällte Entscheidung, sich von der bisherigen Chefin der .de-Registry zu trennen, mit Fassungslosigkeit, teilweise auch mit Empörung quittiert. Vor allem über das Vorgehen des Aufsichtsrats und des jetzt vierköpfigen Rumpfvorstands schüttelten viele entschieden den Kopf. Das DeNIC ist als Registry für .de-Domains der verantwortliche Registrierungsdatenbankbetreiber für die deutschen Länderdomains (ccTLDs), die DeNIC-Genossenschaft wird von den Registraren getragen, die für Kunden die Registrierung von Domains und deren Verwaltung übernehmen.

Gerade wenn es im Streit zwischen Dolderer und dem Rest der DeNIC-Führungsetage um unterschiedliche Konzepte für strategische Ausrichtung des DeNIC gegangen sei, wären die Mitglieder gefragt gewesen, meinen viele Beobachter. Dolderer hatte in ihrer Abschiedsmail Freitagnacht solche Differenzen als Begründung für die "einvernehmlich" getroffene Entscheidung genannt. Beim vierten deutschen Abend von dot.Berlin und DeNIC in Lissabon, bei dem Dolderer noch einmal als Gastgeberin auftrat, sagte sie lediglich: "Dies wird meine letzte Rede in dieser Funktion sein." Zu weiteren Gründen schwieg sich die langjährige Vorstandsfrau dagegen aus und verwies auf die "gemeinsame Sprachregelung".

Der Aufsichtsrat hat inzwischen seinerseits in einer E-Mail an die Mitglieder reagiert. Dolderer sei ihm mit ihrer Mitteilung einfach zuvorgekommen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, so schrieb der Aufsichtsratsvorsitzende Sebastian von Bomhard, wären die Nachricht von Rücktritt und die Erklärung des Aufsichtsrats gleichzeitig gekommen. Er bedauere, dass durch die schlechte Kommunikation Spekulationen in Gang gesetzt worden seien. Selbst Verkaufspläne für die DeNIC geisterten nach der plötzlichen Entscheidung durch die Gerüchteküche. Diese wies Aufsichtsratmitglied Eric Schätzlein am Rande des deutschen Abends zurück.

Schätzlein sagte, er stehe hinter der Entscheidung: "Das DeNIC steckt in verschiedenen Großprojekten wie Umzug und neues Rechenzentrum. Da bedarf es eines funktionierenden Vorstands, der sich nicht gegenseitig blockiert." Der Aufsichtsrat müsse zu allererst zum Wohl der DeNIC entscheiden, sagte Schätzlein, der einräumte, mit Dolderer die "Gallionsfigur des DeNIC" zu verlieren. Zu den nächsten Schritten, auch zur Nachfolge, wollte Schätzlein nichts sagen. Im Übrigen verwies der Aufsichtsrat ebenso wie Dolderer auf die "Sprachregelung" von der "einvernehmlichen Entscheidung" und die zwischen beiden Seiten vereinbarte "Vertraulichkeit".

Die von beiden Seiten angedeuteten grundsätzlichen Differenzen zur Zukunft des DeNIC dürften vor allem die Frage nach der weiteren Aufstellung der .de-Registry im globalen Registrymarkt berühren. 2003 hatte die DeNIC-Spitze zusammen mit Dolderer entschieden, sich um den Betrieb von .net zu bewerben und dafür nachträglich den Segen der Mitglieder bekommen. Eine eindeutige weitere Positionierung des DeNIC zum Thema Registrydienste oder Registryproviding steht daher auf dem Programm der bislang so erfolgreichen Genossenschaft. Diese Positionierung dürfte bei der für Mai anberaumten Generalversammlung zusammen mit der Blitzentscheidung gegen Dolderer mit auf den Tisch kommen.

Mitglieder und Führungsriege erwarten, dass es bei dieser Generalversammlung stürmisch zugehen wird. Eine Personalentscheidung dieser Tragweite dürfe der Aufsichtsrat nicht ohne Rücksprache mit den Mitgliedern und ohne jegliche Ankündigung treffen, sagten mehrere in Lissabon anwesende Mitglieder der DeNIC-Genossenschaft. Die Eile verstehe niemand, zumal der geschäftliche Erfolg unbestritten sei und Dolderer auch zugerechnet werde. So gibt es durchaus Stimmen, die meinen, dass das letzte Wort in der Sache noch nicht gesprochen sei.

Nicht nur unter den DeNIC-Mitgliedern in Lissabon wurde das Abtreten von Dolderer diskutiert. Vertreter des Wirtschaftsministeriums und der EU-Kommission fragten ebenfalls nach. Ram Mohan, Chef-Technologe von Afilias, nannte Dolderer "das Gesicht des DeNIC". Dolderer sei doch immer bei der DeNIC gewesen. Dolderer selbst mochte sich zu möglichen Zukunftsplänen noch nicht äußern. (Monika Ermert) / (jk)