Richtungsstreit bei Wikimedia

Zwei Mitglieder der Stiftung, die unter anderem die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia betreibt, erklärten ihren Rücktritt. Auslöser sind offenbar unterschiedliche Auffassungen über die Arbeit der Wikimedia Foundation.

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Von
  • Torsten Kleinz

Bei der Wikimedia Foundation, die unter anderem die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia betreibt, hängt der Haussegen schief. Am Wochenende erklärten zwei Mitarbeiter der Stiftung ihren Rücktritt. Grund sind offenbar unterschiedliche Auffassungen über die Arbeit der Stiftung.

Als erster erklärte Wikimedia-Sekretär Danny Wool seinen Rücktritt. Kurz darauf teilte auch der ehemalige Interims-Geschäftsführer Brad Patrick auf der Mailingliste der Wikimedia Foundation mit, dass er Ende des Monats ausscheiden werde. Die Kündigungen beider Mitarbeiter kamen offenbar überraschend. Beide wollen aber nicht komplett aus dem Projekt ausscheiden, Wool will im Sommer für die Stelle im Wikimedia-Vorstand kandidieren.

Obwohl beide Angestellte in ihren Abschiedsbotschaften nicht näher auf die Gründe für ihre Kündigungen eingehen, gibt es deutliche Hinweise auf einen Richtungsstreit über die Zukunft Stiftung. So stellte Brad Patrick in einem Interview mit Wired die Legitimität des Stiftungsvorstandes infrage: "Wie ich schon früher sagte, könnten wir ein Kuchen-Wettessen abhalten oder eine Münze werfen, um das nächste Vorstandsmitglied zu bestimmen – die Legitimität wäre die gleiche wie bei den Wahlen. " Auch die Eignung des bunt zusammengewürfelten Wikimedia-Vorstands zieht Patrick in Zweifel. Der Anwalt war im vergangenen Jahr von Wikimedia-Gründer Jimmy Wales eingestellt worden, um die Verpflichtung eines hauptamtlichen Wikimedia-Geschäftsführers in die Wege zu leiten. Vor Kurzem hatte er den Titel des "Executive Officers" abgegeben, um nur noch als Rechtsberater tätig zu sein. Derzeit arbeiten noch neun Angestellte für die Wikimedia Foundation.

Die Wikimedia-Vorsitzende Florence Nibart-Devouard schrieb die Stelle von Brad Patrick als Rechtsberater aus und will sie schnellstmöglich wieder besetzen. Einen hauptamtlichen Rechtsbeistand kann die Stiftung gut gebrauchen, da sie immer öfter zur Zielscheibe von juristischen Auseinandersetzungen wird. So soll eine Literaturagentin die Stiftung verklagen, weil in der freien Online-Enzyklopädie ihre Geschäftspraktiken thematisiert werden.

Die Wikimedia Foundation befindet sich in einem Umstrukturierungsprozess. So bemüht sich die Stiftung, die Arbeit der Wikipedia und der Freiwilligen in geordnetere Bahnen zu lenken. Wichtigste Herausforderung derzeit ist die Finanzierungsfrage. So konnte die Stiftung Anfang des Jahres zwar eine Million US-Dollar Spenden mobilisieren, dieses Geld reicht jedoch kaum für den Betrieb der Wikipedia und ihrer Schwesterprojekte. Wichtige Vorhaben wie die lang angekündigten stabilen Artikelversionen bleiben unterdessen liegen. Nibart-Devouard versucht, die Defizite unter anderem durch Neueinstellungen zu beseitigen. So wurde inzwischen eine Personalberatungsfirma beauftragt, einen qualifizierten Manager zu finden, der in Zukunft die Geschicke der Wikimedia Foundation nach den Vorgaben des Stiftungsvorstandes leiten soll.

Unterdessen hat Wikipedia-Mitgründer Larry Sanger sein neues Projekt mit dem Namen Citizendium frei zugänglich gemacht. Sanger plant eine Online-Enzyklopädie, die verlässlicher sein soll als die Wikipedia und auf die Mitwirkung anonymer Autoren verzichtet. Derzeit sind über 1100 Artikel online, die aber meist nur Überarbeitungen von Wikipedia-Artikeln sind. (Torsten Kleinz) / (jk)