Schäuble begrüßt "neue operative Phase" von Europol
Mit drei Änderungsprotokollen zum Europol-Übereinkommen sieht der Bundesinnenminister die Effizienz der EU-Polizeibehörde maßgeblich gesteigert, während auch der Datenschutz im Sicherheitsbereich vorankomme.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble sieht mit drei jüngst in Kraft getretenen Änderungsprotokollen zum Europol-Übereinkommen die Effizienz des Europäischen Polizeiamtes maßgeblich gesteigert. Mit den erweiterten Befugnissen werde "eine neue operative Phase" für die in Den Haag angesiedelte Strafverfolgungsbehörde eingeleitet, betonte der CDU-Politiker am Rand der Sitzung des Rates der Justiz- und Innenminister am heutigen Freitag in Luxemburg. Zuvor hatte er dem Europol-Direktor Max-Peter Ratzel gemeinsam mit dem Justizkommissar der EU-Kommission, Franco Frattini, feierlich die von allen Mitgliedsstaaten ratifizierten neuen Arbeitsgrundlagen überreicht.
Europol kommt mit den neuen Bestimmungen eine deutlich stärkere Rolle bei der Bekämpfung und Prävention grenzüberschreitender schwerer Straftaten wie Terrorismus, Drogenkriminalität oder der Geldfälschung zu. Mit dem 2. Änderungsprotokoll wird den Eurocops die Teilnahme an gemeinsamen Ermittlungsgruppen der Mitgliedstaaten ermöglicht. Sie können Informationen aus laufenden Europol-Analysedateien unmittelbar in diese neue Kooperationsform einbringen. Umgekehrt wird es Europol-Bediensteten erlaubt, direkt aus gemeinsamen Ermittlungsteams aktuelle Informationen zu erhalten und zu verarbeiten. Außerdem kann Europol einzelne Mitgliedstaaten um die Aufnahme von Ermittlungen ersuchen.
Gemäß dem 3. Änderungsprotokoll dürfen neben den bisherigen nationalen Zentralstellen künftig auch weitere "zuständige Behörden" der Mitgliedsstaaten direkt auf das umfangreiche Europol-Informationssystem zugreifen, das von Datenschützern seit langem als eine Art "Waschanlage" für Polizei-Informationen kritisiert wird. Laut Schäuble wird damit "die Akzeptanz von Europol in den Mitgliedstaaten nachhaltig erhöht". Ferner würden Reibungsverluste und Übertragungsfehler ebenso wie zeitliche Verzögerungen vermieden. Der Innenminister kündigte an, in Deutschland "spätestens bis Ende Mai die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass wir den Staatsanwaltschaften, Zollbehörden und der Bundespolizei einen solchen Zugriff einräumen".
Außerdem können Experten aus Drittstaaten mit den Änderungen in einer Analysegruppe der Mitgliedstaaten bei Europol direkt mitarbeiten. Dies ist Schäuble zufolge gerade "in der Zusammenarbeit mit den USA im wichtigen Bereich der Terrorismusbekämpfung von größter Bedeutung". Generell komme es nun darauf an, die ausgebauten Optionen "intensiv zu nutzen".
Thema des Ratstreffens war auch das von der deutschen Ratspräsidentschaft initiierte Projekt "Check the Web". Dieses sieht als zentrales Werkzeug ein Informationsportal bei Europol vor, das Anfang Mai an den Start gehen und Arbeitsteilung der Mitgliedstaaten bei der Überwachung des Internet erleichtern soll. Ein weiterer wichtiger Punkt war die geplante Umwandlung des Europol-Übereinkommens in einen Ratsbeschluss. Damit soll vor allem eine weitere operative Stärkung Europols über die Änderungsprotokolle hinaus erreicht werden, die dann nicht mehr von den nationalen Volksvertretungen oder dem EU-Parlament abgesegnet werden müssten. Beabsichtigt ist etwa, den Mandatsbereich Europols auf alle Formen der grenzüberschreitenden schweren Kriminalität auszudehnen. Umstritten ist dabei im Rat noch, ob das jährliche Budget der Behörde aus dem Gemeinschaftshaushalt bestritten werden soll.
Bürgerrechtler sehen mit den Brüsseler Plänen eine unkontrollierte Ausdehnung der Europol-Befugnisse einhergehen. Die Behörde würde ihnen zufolge in eine Art Bundespolizei für die gesamte EU verwandelt, die noch stärker auf nationale Datenbanken frei zugreifen und die darin gespeicherten Informationen in eigene Systeme einbauen könnte. Der Bundesrat mahnte jüngst an, dass der neue Rechtsrahmen einen "operativen Mehrwert" mit sich bringen sollte, ohne jedoch "exekutive Befugnisse" für ein "Euro-FBI" zu schaffen.
Die EU-Minister beschäftigte auch der umstrittene angestrebte Rahmenbeschluss zum Datenschutz im Sicherheitsbereich. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat den ursprünglichen Entwurf der Kommission komplett überarbeitet, um den Verhandlungen "neuen Schub" zu geben. Die hohe Zahl der Vorbehalte der Mitgliedsstaaten konnte auf diesem Wege bereits um mehr als drei Viertel reduziert werden", freut sich das Bundesinnenministerium und sieht den deutlich entschlackten Beschluss so "auf gutem Weg".
Der britische Rechtsprofessor Steven Peers moniert dagegen, dass der neue Entwurf insgesamt "noch unterhalb der niedrigen Standards" bleibe, die zuvor in internen Ratsdiskussionen erreicht worden seien. In einer Analyse (PDF-Datei) für die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch bemängelt das Mitglied des Human Rights Centre der Universität Essex insbesondere, dass die Ratspräsidentschaft "grundlegende Schutzmechanismen im Bezug auf die Datenverarbeitung" bei den Mitgliedsstaaten entfernt habe.
Weitere Datenschutzbestimmungen zum Transfer von Polizeidaten zwischen den Mitgliedsstaaten sind dem Forscher zufolge geschwächt und die Weitergabe der sensiblen personenbezogenen Informationen an Drittstaaten wie die USA ganz außen vor gelassen worden. Letztere solle nun unreguliert oder auf Basis bilateraler Abkommen erfolgen. Keine durchgreifenden Bestimmungen sind Peers zufolge auch beim Transfer der von dem Beschluss erfassten Informationen an Unternehmen und Behörden jenseits der Sicherheitskräfte vorgesehen. Das Resultat wäre ein "inakzeptabel niedriger Standard für den Schutz eines prinzipiellen Menschenrechts". (Stefan Krempl) / (pmz)