Patente kein Allheilmittel für Innovation

Nicht-Regierungs-Organisationen drängen im Umfeld des G8-Gipfels auf eine differenzierte Diskussion über Patentschutz und seine Auswirkungen auf künftige Innovationen, zum Beispiel im Pharmabereich.

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Von
  • Monika Ermert

Die Organisation Ärzte Ohne Grenzen warnte heute zum Auftakt des G8-Gipfels vor einer einseitigen Agenda beim Thema "geistiges Eigentum". Verstärkter Patentschutz hat nach Einschätzung der Organisation keine Innovationen im Bereich der Medikamentenforschung hervorgebracht. "Wir sehen das in den Entwicklungsländern, wo wir zunehmend Patentschutz haben", sagte Tido von Schön-Angerer, Direktor der Kampagne für "Besseren Zugang zu unentbehrlichen Medikamenten" gegenüber heise online. Dort fehle es immer noch an erschwinglichen Medikamenten gegen Malaria, HIV/Aids oder Tuberkulose.

Das Instrument Patentschutz, wenn auch unverzichtbar, reiche nicht aus, um Innovation zu fördern. Den verstärkten Schutz des geistigen Eigentums als einzige Lösung anzubieten, wie es auf dem G8-Gipfel geschehe, sei unredlich. Schön-Angerer verwies auf die Gespräche einer eigens eingesetzten Gruppe der Weltgesundheitsorganisation, die gezielt nach alternativen Anreizen für die Entwicklung dringend benötigter Medikamenten suche. Schön-Angerer kritisierte, dass diese Überlegungen von den versammelten G8-Staaten offenbar ignoriert würden.

An erster Stelle werde von Regierungsvertretern reflexartig auf das Problem der "gefälschten Medikamente" hingewiesen. "Das Fälschen von Medikamenten ist eine kriminelle Aktivität", sagte Schön-Angerer, und gefährde die Gesundheit von Patienten. Doch behinderten gefälschte Medikamente nicht Innovationen, deren Schutz die G8-Staaten sich prominent auf ihre Agenda geschrieben haben. Auch die Vermischung von Medikamentenfälschungen einerseits und den Streit um Generika andererseits ärgert die Organisation.

Die G8-Staaten planten Gespräche mit mehreren Schwellenländern (den sogenannten Outreach-5-Staaten Indien, Brasilien, Mexiko, Süd-Afrika und China), um der Bedeutsamkeit des Schutzes von geistigem Eigentum Nachdruck zu verleihen, heißt es in einer Presseerklärung der Ärzte ohne Grenzen. Genau diese Länder seien Pioniere bei der Herstellung von erschwinglichen Generika. Diese Länder würden nun vermehrt unter Druck gesetzt, sich gerade nicht der Spielräume zu bedienen, die ihnen im Zweifel Zwangslizensierungen notwendiger Medikamente erlaubten. "Es ist extrem kontraproduktiv, wenn das in Frage gestellt wird", so Schön-Angerer. Zudem werde klar mit zweierlei Maß gemessen, da der Aufschrei regelmäßig groß sei, wenn Entwicklungsländer Zwangslizenzen erteilten. Auch Länder wie Italien und die USA bedienten sich aber genau der Spielräume.

Das Netzwerk Freies Wissen forderte gestern die Vertreter der zum G8 geladenen O5-Länder auf, nicht an den G8-Gesprächen teilzunehmen und auch dem möglicherweise geplanten Dialog zum geistigen Eigentum bei der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine Absage zu erteilen. "Die Gängelung von Entwicklungsländern, gegen ihre eigenen Interessen mehr geistige Eigentumsrechte durchzusetzen, muss aufhören", so Julian Finn, Pressesprecher des Netzwerkes in einer Pressemitteilung. "Wir wollen keinen Druck auf Länder wie Brasilien und Indien, in denen die Leben vieler Menschen durch geistige Eigentumsrechte, etwa auf Medikamente, bedroht sind".

Finn und Schön-Angerer sagten unisono, dass das Thema geistiges Eigentum beim Gipfel möglicherweise nur noch wenig Beachtung finden werde. Das Medieninteresse richte sich aktuell stark auf Proteste, den "Raketenstreit" zwischen den USA und Russland und das Ringen um fixe Begrenzungen des CO2-Ausstoßes. Schön-Angerer befürchtet, dass damit auch die Erklärungen zum einem universellen Zugang zu HIV-Medikamenten ins Hintertreffen gerät. Ein direkter Meinungsaustausch zwischen den NGOs und den Regierungsvertretern ist beim Gipfel nicht mehr vorgesehen und durch die Sicherheitsmaßnahmen auch organisatorisch nicht möglich. (Monika Ermert) / (vbr)