Computex

Watt-Wahnsinn bei PC-Netzteilen [Update]

Völlig frei vom geringsten Realitätssinn treiben einige Netzteilhersteller das Leistungsvermögen von PC-Netzteilen weiter nach oben. Es gibt aber auch positive Gegenbeispiele, wie man Netzteile für PCs sinnvoll optimieren kann.

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1000-Watt-Netzteile sind geschmolzener Schnee von gestern: Viele taiwanische Netzteilhersteller setzen auch in diesem Jahr den Trend fort, sich mit immer höheren Leistungsangaben gegenseitig zu übertrumpfen, um Zahlenfetischisten zum Kauf ihrer Produkte zu animieren. Schon die Kilowatt-Klasse ist für 99,99 Prozent aller PCs weit überdimensioniert, das gilt erst recht für die jetzt auf der Computex gesichteten 1500-Watt- und gar schon 2000-Watt-Modelle. Die Klimadiskussion und die strengen Vorgaben für die vierte Fassung der Energy-Star-Richtlinien zum Energiesparen sind offensichtlich noch nicht bei allen Herstellern auf der Insel angekommen.

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Watt-Wahnsinn bei PC-Netzteilen

Fourchannel zeigt mit dem PUC-1500V ein Netzteil mit angeblich 1500 Watt. Alleine stehen sie damit nicht da...

So zeigen beispielsweise Fourchannel und Thermaltake Netzteile der 1,5-kW-Klasse, die wegen ihrer zu hohen Gehäusetiefe nicht immer in Standardeinbauplätze von ATX-Gehäusen passen. Dafür versprechen sie aber immerhin, ihre zukünftigen Besitzer im Watt-Contest wenigstens gut aussehen zu lassen. Thermaltake rundet dabei auch noch generös auf: Die Leistungen der einzelnen Spannungsschienen des Toughpower 1500W summieren sich auf "nur" 1375 Watt. Im Anwendungsbeispiel gehen davon auch nur rund 670 Watt an das PC-System mit Doppelgrafik, die restlichen 700 Watt sollen sich beispielsweise Kfz-Audioendstufen teilen, um den Gamer bei Treffern per Subwoofer so richtig durchzuschütteln.

Gleich ums Eck setzt die Firma "Highpowersupply", die in Europa unter Sirtec firmiert, sogar noch eins drauf: Stolze 1600 Watt soll das Modell HPC-1600-G14C in den PC bringen. Liefertermin? Preis? Oder gar ein Datenblatt? Fehlanzeige. Active PFC soll es haben, so viel verrät man dem interessierten Kunden zumindest schon mal. Das gern verteilte Prospektmaterial endet beim 1200-Watt-Modell. Reichts noch nicht? Kein Problem, Thermaltake hilft da gern mit dem Modell Toughpower 2000W aus. Wann und zu welchem Preis, das behält man einstweilen lieber für sich.

Wer gar nicht genug bekommen kann, der darf das Netzteil auch gern neben den PC stellen: Etliche Netzteilproduzenten bieten externe Netzteile mit Leistungen im 2-kW-Bereich an, die überall, nur nicht im klassischen ATX-Netzteileinbauplatz untergebracht werden dürfen. Den üblichen Platz fürs Netzteil belegt dann eine Breakout-Box: Zwei fette Kabelstränge verbinden diese mit dem eigentlichen Netzteil. Damit die Leistung auch ja irgendwo bleibt, bietet das zum Rechnerinneren ausgerichtete Ende der Box viel Platz für Modulstecker, von denen dann noch einmal reichlich Kabel zu Mainboard und Co. führen. Leitungs- und Übergangswiderstand lassen grüßen.

Cable Management oder modulare Verkabelung findet sich ohnehin allerorten bei den potenteren Netzteilen: Sie reduzieren zwar das Kabelgewirr im PC, weil man nicht benötigte Anschlüsse weglassen kann. Andererseits bringen die Systeme mit den zusätzlichen elektrischen Kontakten eine neue Fehlerquelle ins Spiel, denn auch diese können korrodieren oder schlicht wackeln. Vor allem die Ausführungen mit Schraubsteckern erhöhen abermals die Einbautiefe des Netzteils. Der Vorteil solchen Kabelmanagements ist deshalb eher fraglich. Spricht man die vereinzelt auf den Messeständen aufzutreibenden Entwickler auf dieses Dilemma an, so erntet man eigentlich nur verständiges Nicken. Doch was solls, der Kunde will es haben, also wird auch das technisch Unsinnige realisiert.

Klar ist indes, dass niemand ein derart potentes Kleinkraftwerk für seinen PC wirklich braucht. Denn schon um nur ein ordentliches 800-Watt-Netzteil auszureizen, muss man in teure Hardware investieren: Sein Leistungsvermögen reicht für einen Quad-Core-PC inklusive zwei Highend-Grafikkarten vom Schlage einer AMD Radeon HD2900XT in Crossfire-Konfiguration locker aus. Dabei schluckt die 3D-Grafik mit bis zu 450 Watt den Löwenanteil, allerdings auch nur in kurz dauernden Leistungsspitzen.

Zum Glück trifft man auf der Computex aber auch Firmen, die den Watt-Wahnsinn nur sehr zögerlich mitmachen und sich statt dessen auf wirklich wichtige Dinge konzentrieren. FSP etwa legt bei den neuen Netzteilmodellen vor allem Wert auf einen guten Wirkungsgrad über einen möglichst weiten Lastbereich. Zudem will man in Europa demnächst die Garantie auf drei Jahre erweitern und denkt über einen Vorab-Austauschservice nach.

Auch Seasonic hält sich beim kW-Rennen zurück und steigert lieber die Effizienz der eigenen Netzteile. Alle neuen Modelle bis hinauf zu 700 Watt sollen einen Wirkungsgrad von mehr als 80 Prozent aufweisen. Modulare Stecker verbaut man allerdings beim Modell M12 auch – auf Druck der Kunden, heißt es.

Zu den positiven Überraschungen in Sachen Netzteilen gehört auch der Stand von Enermax. Dort demonstriert man nicht nur, was die neuen Intinity-Modelle leisten können, sondern ist besonders stolz darauf, dass auch das 400-Watt-Liberty-Modell ohne weiteres AMDs Tests für das begehrte "DXX-ready"-Logo bestanden hat. Andere Unternehmen, so betonte Firmenchef Steven Su, würden das nur mit 500- oder gar 550-Watt-Modellen schaffen. [Update] Auf dem Stand zeigte Enermax ein System mit 18 Festplatten, zwei Dual-Core-Prozessoren und zwei Grafikchips, das stabil mit einem 700-Watt-Netzteil lief, zu sehen in der Fotogalerie.

Für eine weitere Überraschung sorgten die Odin-Netzteile von Gigabyte: Dass ausgerechnet ein Newcomer in Sachen Netzteile seine Modelle mit einer via USB an den PC angekoppelten Controller-Platine ausstattet, die es dem Anwender erlaubt, in Betrieb Daten wie etwa den aktuellen Wirkungsgrad, die Auslastung einzelner Spannungspfade, die Temperatur und vieles mehr auszulesen, dürfte manch Etabliertem sicher unangenehm aufstoßen. Angesichts des frischen Winds, den Gigabyte so in die Branche bringt, verzeiht man dem Unternehmen gern auch den (optischen) Ausrutscher bei der zugehörigen – ebenfalls per USB angebundenen – Ausgabeeinheit. Das tachoähnliche Ding ist alles andere als übersichtlich und sorgt mit seinem nervösen Zeiger eher für Unruhe als für eine sinnvolle Information des Users. (ea)