Experte: Energieeinsparverordnung basiert auf Denkfehler
Die in der Energieeinsparverordnung festgelegten Grenzwerte für den Wärmedurchgang bei Gebäuden dienen hauptsächlich als Verkaufshilfe für die Dämmstoffindustrie, sagt der Architekt Christoph Schwan in der aktuellen Ausgabe von Technology Review.
Wer heute baut, achtet auf gute Wärmedämmung, wie sie die Energieeinsparverordnung (EnEV) vorschreibt. Doch für Christoph Schwan, Architekt und Träger des zweiten Preises beim Award der KfW-Förderbank, ist das ein Irrweg: "Der Denkfehler ist die Vorstellung, dass die im Gebäude durch Heizung erzeugte Wärme das Bedürfnis hat, durch Fenster und Wände ins Freie zu verschwinden. Aber die Heizung ist ja nicht die einzige Energiequelle. Die Umgebung strahlt auch ungeheure Energiemengen ab", sagte Schwan im Interview mit TR (seit dem 26.7. am Kiosk oder online zu bestellen).
Insgesamt decke die EnEV nur zwei Prozent der gesamten Energiebilanz eines Hauses ab. Wer sich beim Bauen strikt an die Verordnung halte, "landet damit zwangsläufig bei einer viel zu dicken Dämmung", erklärt Schwan weiter. Als Alternative hat er die sogenannte Thermosfassade entwickelt: Ähnlich wie eine Thermoskanne funktioniert sie mit einer reflektierenden Fläche und evakuierten Luftschichten. Die TU Berlin hat bei diesem Verfahren laut Schwan eine Energieeinsparung von 56 Prozent gegenüber konventioneller Dämmung festgestellt – wohingegen die Dämmstoffindustrie bislang "nicht einen einzigen Nachweis über die energetische Wirksamkeit ihrer Produkte" vorgelegt habe.
Nach einer neuen ISO-Norm müssen die Behörden mittlerweile auch akzeptieren, wenn ein Bauherr die Wärmedurchgangsvorschriften durch andere Methoden als Dämmung erreicht. In der EnEV aber ist laut Schwan davon noch keine Rede, sodass von den neuen Möglichkeiten nur Leute profitieren könnten, die von der neuen Norm schon wissen. In der jetzigen Situation seien die Baunormen deshalb "eine einzige Verkaufshilfe für die Dämmstoffindustrie". (wst)