Deutsche Politiker verstärken Wahlkampf per Internet

CDU-Ministerpräsidenten rüsten sich multimedial für ihre Wiederwahl im kommenden Jahr, auch die Opposition wird aktiv.

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Von
  • Monika Wendel
  • dpa

Die CDU will nach der politischen Sommerpause mit Wulff-TV Wahlkampf machen. Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff und CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl wird regelmäßig per Internet Videobotschaften verbreiten. Sein Parteikollege, der hessische Regierungschef Roland Koch, der auch am 27. Januar 2008 wiedergewählt werden will, legt da schon vor: Er veröffentlicht auf einer eigenen Homepage Podcasts mit Interviews etwa über die Schul- und Sicherheitspolitik. Das weltweite Web wird stärker als Wahlkampfwerkzeug und Mitmach-Medium genutzt – allerdings auch als Forum, um Politiker auf die Schippe nehmen.

Bei der SPD scheint Satirisches hoch im Kurs zu stehen: Seit Ende Juli präsentiert die Partei den "Wackel-Wulff" als Internet-Animation – in Anspielung auf Wulffs Kehrtwende beim Rauchverbot. "Wir werden nachlegen", meint SPD-Spitzenkandidat und Wulff-Herausforderer Wolfgang Jüttner. "Das ist kein Grund für Aktionismus", kontert der Sprecher der CDU Niedersachsen, Thomas Philipp Reiter, der zugleich die Video-Podcasts von Wulff ankündigt. Bisher wirkt die Homepage des CDU-Politikers ohne bewegte Bilder noch ein wenig althergebracht. Längere Erfahrung mit Reden via Internet hat dagegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die schon seit gut einem Jahr jede Woche Internet-Botschaften verbreitet.

"Man braucht das Internet einfach, damit man modern erscheint", sagt der Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaften, Helmut Scherer. Das Netz sollte für die politische Wahlwerbung aber nicht überschätzt werden. "Wer politisch nicht interessiert ist, wird auch nicht durch die Internet-Auftritte erreicht", meint Scherer.

Der Grünen-Landesvorsitzende Raimund Nowak reagiert skeptisch auf die bei Politikern durchaus beliebten Videobotschaften. "Das hat Verkündigungscharakter", meint er. "Bei unserer Klientel kommt das nicht so gut an, aber der Wahlkampf wird stärker im Internet gemacht." Nowak würde gerne ein Experiment aus den USA hierzulande ausprobieren. Vor kurzem beantworteten US-Präsidentschaftskandidaten Fragen, die Bürger per Internet-Videoclip eingereicht hatten. Die Sequenzen wurden zuvor an das Internet-Videoportal YouTube geschickt. "Ich finde das eine gute Idee, weil es auch schwierig ist, die Leute zu öffentlichen Veranstaltungen zu locken", sagt der Landeschef der Grünen, die auch Nicht-Mitglieder per Internet über das Wahlprogramm diskutieren lassen.

Das weltweite Web birgt aber auch die Gefahr, für Parodien und Scherze missbraucht zu werden. "Die Politiker haben Angst, dass ihre Informationen umgestaltet werden, dass sie die Kontrolle verlieren", meint Kommunikationswissenschaftler Scherer in Hannover. Manche Wahlkampf-Macher durchforsten das Internet auch nach Online-Seiten, die Politiker gerne mal durch den Kakao ziehen.

Komisches findet sich etwa bei YouTube. Dort ist die Antwort von Herbert Grönemeyer zu finden auf Wulffs Aufforderung, der Sänger solle in die Politik gehen. Die CDU würde sich für ein Bundestagsmandat für Grönemeyer einsetzen. In dem Mitschnitt eines Interviews des Musikkanals MTV sagt der Künstler, "ich sollte auf jeden Fall die CDU direkt anführen". Es wäre auch eine Möglichkeit, mit Wulff zusammenzuziehen in einer Wohngemeinschaft. (Monika Wendel, dpa) / (anw)