Die Große Firewall ist löchrig

US-amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass nicht alle unerwünschten Begriffe im chinesischen Internet sofort blockiert werden.

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"Wenn Chinas Zensursystem wirklich eine Firewall wäre, dann würde der größte Teil der Filterung an der Grenze zum restlichen Internet stattfinden", erläutert der Graduiertenstudent Earl Barr von der UC Davis in Kalifornien. Dass dem nicht so ist, hat er zusammen mit anderen Forschern auch von der University of New Mexico nach eigenen Angaben nun herausgefunden. Stattdessen rutschen anscheinend verbotene Begriffe reibungslos über einige Router, bevor sie letztlich blockiert werden. Der chinesische Filter funktioniere insbesondere dann nicht, wenn das Internet in China stark genutzt werde.

Die Forscher entwickelten ein automatisches Werkzeug namens ConceptDoppler, mit dem ausgewählte Schlüsselwörter an chinesische Internetadressen geschickt wurden. Dieses Tool nutzt einen vergangenes Jahr von Forschern der britischen University of Cambridge entdeckten Effekt aus, den Wörter auf der chinesischen Verbotsliste wie zum Beispiel "Falun Gong" auslösen. Sie verursachen nämlich auf ihrer Reise durch das chinesische Netz eine Reihe von jeweils drei "Reset"-Kommandos an Absender und den Adressaten, die letztlich zur Blockade führen. Diese Kommandos fängt der ConceptDoppler auf.

Um die Funktionsweise der chinesischen Zensurmethode zu erläutern, ziehen die Wissenschaftler als Vergleich den hypothetischen Fall heran, man wolle alle Hinweise auf das Massaker am Wounded Knee aus der US-amerikanischen Kongressbibliothek tilgen. Dazu könne man entweder Titel wie "Bury My Heart at Wounded Knee" und ein paar weitere aus dem Bestand entfernen oder jedes Buch, das das Wort "Massaker" enthält. So wie im zweiten Fall arbeite auch die chinesische Zensur.

Auch wenn die Große Firewall nicht effizient filtert, heißt das aber noch nicht, dass sie nicht effizient wirkt. Dazu beitragen könne eine Art Selbstzensur der chinesischen Nutzer. Wenn diese merken, dass einige Schlüsselwörter die meiste Zeit blockiert sind, meiden sie diese womöglich aus Vorsicht, erläutern die Wissenschaftler. Der Effekt sei ähnlich wie in dem vom britischen Philosophen Jeremy Bentham beschriebenen Panopticon. Darin sorgt ein zentraler Posten für Ordnung, indem die Beobachteten nicht wissen, wann sie beobachtet werden. Insofern wäre die Große Firewall weniger eine Barriere als ein Überwachungssystem. (anw)