Kandidaten für den CSU-Vorsitz wetteifern um innere Sicherheit

Erwin Huber und Horst Seehofer haben mit Rufen nach raschen heimlichen Online-Durchsuchungen deutlich gemacht, dass sie auf der Unionslinie des starken Staates im Anti-Terrorkampf bleiben.

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Die beiden aussichtsreichsten Kandidaten für die Wahl zum CSU-Vorsitzenden auf dem Parteitag der Christlich Sozialen Union am Samstag, Erwin Huber und Horst Seehofer, wollen am Profil ihrer Partei im Punkt innere Sicherheit nichts ändern. Dass sie auf der Unionslinie des starken Staates im Anti-Terrorkampf bleiben, haben beide mit Rufen nach raschen heimlichen Online-Durchsuchungen deutlich gemacht. So forderte Huber im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau "unbedingt eine schnelle gesetzliche Regelung" für die von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) geplante Ausspähung "informationstechnischer Systeme". Hier stehe die CSU an der Seite Schäubles. Darüber hinaus brauche es zur Verhinderung "verheerender Terrorakte" in "extremen Ausnahmesituationen" wie der Entführung von Passagierflugzeugen "klare Richtlinien und Konzepte". Generell will Huber als CSU-Chef "das Konservative noch etwas pointierter zum Ausdruck bringen" als die CDU.

Auch Verbraucherschutzminister Horst Seehofer setzt im Kampf um den CSU-Vorsitz auf mehr Überwachung. Für ihn sind Online-Razzien eine "absolute Notwendigkeit", zeigte sich der derzeitige Bundespolitiker mit dem bayerischen Wirtschaftsminister Huber auf einer Linie. Gleichzeitig kritisierte er eine Hinhaltetaktik der SPD im Streit um die innere Sicherheit. Die Genossen sollten ihm zufolge wieder dazu beitragen, dass die Regierungsfraktionen "ihre Alltagsarbeit für die Menschen vernünftig" abwickeln könnten. Man dürfe von einem Koalitionspartner erwarten, dass er sich "intern und nicht offen" mit den Meinungsverschiedenheiten auseinandersetze.

Der scheidende bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber erklärte es derweil in der Bild-Zeitung zur "Kernaufgabe eines starken Staates, den Menschen größtmögliche Sicherheit im Inneren zu geben". Die Terrorgefahr sei real. Deshalb dürfe die Koalition in Berlin nicht nur reden und streiten. Sie müsse handeln. "Natürlich brauchen wir zum Beispiel sofort Online-Durchsuchungen bei Computern von Terrorverdächtigen", betonte Stoiber und fügte hinzu: "Selbstverständlich mit richterlichem Beschluss." Der designierte bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) räumte zugleich ein, dass Deutschland bereits "eine gute Sicherheitsarchitektur" habe. Online-Durchsuchungen seien aber notwendig, "weil Terroristen das Internet zur Fanatisierung ihrer Anhänger, zum Bombenbau und für Einsatzbefehle brauchen".

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) warf der SPD vor, mit der Blockade einer schnellen Verabschiedung einer Lizenz für den Einsatz des sogenannten Bundestrojaners die von ihm beschworene Gefährlichkeit der Lage zu ignorieren. "Die CDU kann nicht hinnehmen, dass Leute, die es besser wissen, elementare Sicherheitsinteressen in Deutschland nicht berücksichtigen". Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte ferner der Agentur ddp, Online-Razzien seien "ein Mittel, das wir unbedingt brauchen". Es gehe darum, die Bürger vor Verbrechen zu schützen. "Wenn wir das nicht machen, dann werden wir sozusagen taub und wir können in so einem Fall die Bevölkerung nicht vor einem Anschlag bewahren". Notwendig sei auch die präventive Telefonüberwachung bei Terrorismusverdacht, natürlich unter Richtervorbehalt. Die vereitelten Anschläge hätten gezeigt, "dass wir durchaus ein breiteres Netzwerk von islamistischen Terroristen in Deutschland haben".

Unverständnis brachte Schünemann den Einzelheiten des Plans von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries entgegen, Aufenthalte in Terror-Camps unter Strafe zu stellen. Wer keine eindeutigen Regelungen auf den Tisch lege, werde selbst "zum Sicherheitsrisiko", hielt er der SPD-Politikerin vor. Diejenigen, die in ein Terrorcamp zur Ausbildung gingen, täten dies, um Anschläge zu organisieren und auch zu verüben. Es sei deshalb "realitätsfern", die Strafbarkeit solchen Handelns auch noch mit dem Nachweis für einen konkret geplanten Terroranschlag zu verbinden.

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbands (DJV) Michael Konken, warnte in Wiesbaden dagegen davor, etwa durch Online-Durchsuchungen "die Pressefreiheit durch die Hintertür beseitigen zu wollen". Zugleich appellierte er an die Politik: "Hände weg von staatlichen Eingriffen in die journalistische Arbeit." Rechtsexperten halten Online-Razzien seit langem für verfassungsrechtlich problematisch. Die Unverletztlichkeit der Wohnung könne genauso tangiert sein wie die Menschenwürde oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Bisher sei vor diesem Hintergrund nicht überzeugend dargelegt worden, wie das angestrebte Überwachungsinstrument zu rechtfertigen sei.

Die Pläne von EU-Justizkommissar Franco Frattini, im Kampf gegen terroristische Propaganda und Bombenbau-Anleitungen im Netz europaweit Internet-Suchmaschinen und Provider zum Sperren bestimmter vermeintlich "gefährlicher" Wörter wie "Bombe", "töten", "Völkermord" oder "Terrorismus" zu verpflichten, bleibt ebenfalls in der Schusslinie. Das Zensurvorhaben verstößt laut dem medienpolitischen Sprecher der Fraktion der Linken im Bundestag, Lothar Bisky, "nicht nur gegen die Meinungsfreiheit, sondern auch gegen das Recht auf Information". Die Datenautobahn könne und dürfe nicht "durch politisch motivierte staatliche Eingriffe gelenkt werden". Vielmehr müsse der Zugang zu Informationen offen und frei sein ­ wobei Bisky aber eine Ausnahme bei faschistischer Propaganda machen will. Zentrale Grundlage der Demokratie sei generell die Möglichkeit, "sich frei und ohne Zwänge auch über strittige Themen zu informieren und eine Meinung bilden zu können".

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(Stefan Krempl) / (jk)