Deutscher Presserat kritisiert Überwachung der Telekommunikation
Beim Deutschen Presserat, der gegen die Überwachung der Telekommunikation und die Vorratsdatenspeicherung Stellung bezog, sind 2006 mehr Beschwerden eingegangen als je zuvor in einem Jahr.
Beim Deutschen Presserat sind 2006 mehr Beschwerden eingegangen als je zuvor in einem Jahr. Es gab 954 Eingaben, die zu 36 öffentlichen Rügen führten, wie das Gremium zur freiwilligen Selbstkontrolle der gedruckten Medien am Mittwoch in Berlin berichtete. Hinzu seien im Jahr 2006 noch sechs nicht-öffentliche Rügen sowie 64 Missbilligungen und 65 Hinweise gekommen. Den Anstieg um 28 Prozent im Vergleich zu 2005 führte der Presserat auf allein 90 Beschwerden über eine Mohammed-Karikatur in einer überregionalen Zeitung sowie auf die Aktivititäten eines Seminars an der Universität Mainz zurück. Dieses Jahr würden es voraussichtlich weniger Eingaben.
Auf der Jahrespressekonferenz kritisierte der Presserat den Gesetzentwurf zur Überwachung von Telekommunikation und zur Vorratsdatenspeicherung. "Da haben wir Bedenken", sagte Geschäftsführer Lutz Tillmanns. Er warnte angesichts einer Verschärfung der Sicherheitsgesetze vor einem "Klima der Angst" in den Redaktionen vor Ausspähung. Die Pressefreiheit sei gefährdet, der Informantenschutz werde ausgehöhlt. "Der Vertrauensschutz darf für Journalistinnen und Journalisten nicht weniger umfassend sein als für Strafverteidiger, Abgeordnete und Geistliche", lautet eine der Forderungen an den Bundestag.
Telekommunikationsunternehmen müssen laut Gesetzentwurf sechs Monate lang speichern, wer mit wem wann telefoniert hat. Dies dürfe nur der Aufklärung "wirklich schwerer Verbrechen" dienen, mahnte der Presserat. Auch die Pläne des Bundesinnenministeriums zur Online- Durchsuchung stoßen auf Kritik: Wer über Verbrechen recherchiere, dürfe nicht ins Fadenkreuz der Online-Fahnder geraten. Recherchefreiheit und Informantenschutz würden "fundamental" in Frage gestellt.
Immer mehr Rügen erteilt der Presserat, bei dem sich jedermann beschweren kann, wegen Schleichwerbung. "Die Unsicherheit an dieser Stelle ist eindeutig groß und breit", sagte Sprecher Fried von Bismarck. Eine "praktische Handreichung" für die Redaktionen sei geplant. Als weiteres Ziel des Presserats nannte Bismarck, 2008 auch die Zuständigkeit für Online-Veröffentlichungen zu übernehmen. Das Jahrbuch des Presserats hat den Schwerpunkt "Boulevard und Persönlichkeitsrechte" mit Beiträgen von "Bild"- Chefredakteur Kai Diekmann, Presserechtler Walter Seitz und Journalistikprofessor Siegfried Weischenberg. (dpa) / (jk)