Vitamin-Präparate behindern Methusalem-Effekt

Wissenschaftler haben eine Studie vorgelegt, nach der freie Radikale bei Fadenwürmern das Leben verlängern könnten. Vitamin C oder Vitamin-E-Präparate verhinderten diesen Effekt jedoch, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 171 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.

Wissenschaftler aus Jena und Potsdam haben eine Studie vorgelegt, nach der so genannte freie Radikale bei Fadenwürmern das Leben verlängern könnten. Vitamin C oder Vitamin-E-Präparate verhinderten diesen Effekt jedoch, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe (seit dem 25. Oktober am Kiosk oder portokostenfrei online zu bestellen).

"Freie Radikale" sind reaktionswütige Moleküle, die dazu neigen, lebenswichtigen Stoffen im menschlichen Körper Elektronen zu entreißen und sie damit unbrauchbar zu machen. Sie spielen bei schweren Krankheiten wie Krebs, Alzheimer oder Arteriosklerose eine Rolle und werden darüber hinaus auch für Alterungsprozesse verantwortlich gemacht – ein gutes Verkaufsargument für die Lebensmittel-Industrie, die den Radikalen mit künstlichen Vitaminen und anderen Zusätzen den Garaus machen will.

Nachdem Mediziner schon Anfang dieses Jahres gezeigt hatten, dass die meisten Vitaminpräparate wegen zu hoher Dosierungen keine oder gar eine schädliche Wirkung haben, hat der Jenaer Professor Michael Ristow jetzt noch einmal nachgelegt: Zusammen mit dem Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam lieferte er Belege dafür, dass freie Radikale sogar das Leben verlängern können: Die Wissenschaftler untersuchten Fadenwürmer, die der Fähigkeit zum Abbau von Glukose beraubt waren. Mit normalem Futter wurden die Tiere höchstens 30 Tage als, die modifizierten Würmer lebten dagegen bis zu 40 Tage.

Dafür verantwortlich scheinen ausgerechnet die geschmähten freien Radikale zu sein: Sie lagen bei den glukosefreien Würmern in dreifach höherer Konzentration vor und regten offenbar ab einer bestimmten Menge zelluläre Abwehrsysteme an, etwa das Entgiftungsenzym Katalase. Künstliche Radikalfänger aber machten den Effekt zunichte: "In Gegenwart von allen untersuchten Antioxidantien wird diese Wirkung komplett aufgehoben", sagt Ristow – bekamen die Würmer Vitamin C oder eine Vitamin-E-Variante verabreicht, verschaffte ihnen die Diät kein längeres Leben mehr.

Die Vitamin-Industrie möchte sich zu diesen Fragen noch nicht äußern: Eine Sprecherin der Feinchemie-Sparte von BASF, einem der größten Vitaminproduzenten weltweit, verweist darauf, dass Ristows Experimente noch weit weg vom Menschen erfolgt seien. Ob sich aus der Studie eine Infragestellung der Wirkung von Nahrungsergänzungsmitteln mit Antioxidantien ableiten lasse, sei deshalb offen. (wst)